Nach seinem Rassismus-Eklat ist der Schalke-Boss zurück – und um Harmonie bemüht.
Clemens Tönnies nimmt wieder sein Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrats beim FC Schalke 04 auf. Wegen eines Rassismus-Eklats musste er es drei Monate ruhen lassen. Bei den Königsblauen ist man um Harmonie bemüht.
GELSENKIRCHEN Er ist wieder da. Seit Donnerstagmorgen, 0 Uhr. Drei Monate, drei lange Monate, 13 Wochen, 92 Tage. Er hat sich in dieser Zeit fast komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. In der vergangenen Woche war Tönnies kurz wieder aufgetaucht und lächelte bei der Verleihung des Landesordens an seinen früheren Zögling Manuel Neuer zaghaft in die Kameras. Die Zeit ohne Öffentlichkeit hat an ihm genagt. Er hat sich einen Bart wachsen lassen. Er hat sich Zurückhaltung verordnet, wo er sonst gepoltert hätte. „Ich war ja nie weg. Ich bin Schalker durch und durch“, sagte er. „Jetzt geht der Blick nach vorne.“
Natürlich weiß er, dass es ganz so einfach nicht funktionieren wird. Der 63 Jahre alte Fleisch-Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück hatte als Redner beim Tag des Handwerks in Paderborn Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn‘s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“Diese Worte sorgten für Empörung, Tönnies wurde Rassismus vorgeworfen. Der Ehrenrat kam schließlich in seinem Urteil am 6. August zum Entschluss, Tonnies müsse seine Ämter ruhen lassen.
Die Entscheidung hat den Verein tief gespalten und alte Gräben wieder sichtbarer gemacht. Tönnies und Schalke – seit jeher ist das eine recht spezielle Beziehung. Tönnies ist der Mann mit dem großen Netzwerk. Ein Möglich-Macher. Ein Machtmensch, der vor allem auf eine Meinung hört: seine eigene. Das alles sollte bei der Bewertung seiner Worte natürlich keine Rolle spielen, und doch war unübersehbar, wie viele es genossen, sich an ihm endlich einmal gehörig abarbeiten zu dürfen.
Der Schaupieler Peter Lohmeyer war aus Empörung über Tönnies aus dem Klub ausgetreten. Schalke sei immer ein Vorreiter im Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus gewesen. Die Düsseldorfer Richterin Kornelia Toporzysek, die aus dem Schalker Ehrenrat zurücktrat, nachdem dieser Tönnies vom Vorwurf des Rassismus freigesprochen und lediglich einen Verstoß gegen die Satzung und das Leitbild des Klubs geahndet hatte, stellte fest: „Ich glaube nicht mehr daran, dass die vereinsinternen Strukturen eine meinem Amtsverständnis entsprechende Erfüllung der Aufgaben zulassen.“
Tönnies will erst einmal gar nichts sagen. Und er will auch erst einmal nicht ins Stadion gehen. Am Samstag (15.30 Uhr) gegen Fortuna Düsseldorf bleibt sein Platz zumindest weiter leer. Offiziell, weil berufliche Gründe ihn hindern sollen. Wer allerdings Clemens Tönnies kennt, der weiß, er würde für eine Partie seines Klubs unter normalen Um
ständen barfuß durch ein Dornenfeld joggen, um rechtzeitig in die Arena zu kommen. In einer Mitteilung des Vereins wird nun die Einheit von Schalke beschworen. „In den vergangenen 25 Jahren ist es uns gelungen, Schalke 04 in einem sich immer stärker verändernden Fußballgeschäft als ernstzunehmenden Mitbewerber in der Spitzengruppe der Bundesliga zu halten und gleichzeitig unsere Identität zu bewahren. Daran hat Clemens Tönnies in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender einen großen Anteil“, sagte Finanzchef Peter Peters. Und Sportvorstand Jochen Schneider ergänzte: „Clemens Tönnies war derjenige, der mich überzeugt hat, zum FC Schalke 04 zu kommen. Mich hat es vom ersten Moment an beeindruckt, wie sehr sich ein erfolgreicher und vielbeschäftigter Unternehmer für seinen Klub einbringt und wie positiv er Schalke 04 lebt.“
Das alles hat wenig mit der eigentlichen Sache zu tun. Aber um die ging es ja wie gesagt schon etwas länger nicht mehr. Schalke würde gerne endgültig einen Schlussstrich unter die Angelegenheit ziehen. Schließlich ist es sportlich in den vergangenen Wochen erstaunlich konstant nach oben gegangen. Mit vier Punkten Rückstand auf Tabellenführer Borussia Mönchengladbach hat S04 sich im oberen Drittel der Tabelle eingerichtet. Damit hatten nicht alle Beobachter zu Saisonbeginn gerechnet. Schalke wäre nicht Schalke, wenn alles immer nach Plan laufen würde.