Rheinische Post

Maradona-Euphorie beim Tabellenle­tzten

Er ist Weltmeiste­r, Fußball-Legende und argentinis­cher Volksheld: Nun hat Diego Maradona einen neuen Job.

- VON THOMAS ESSER UND JUAN GARFF

BUENOS AIRES (dpa) Wer die glamouröse­n Zeiten von Diego Maradona sehen will, der geht ins Kino. Wer sich für das aktuelle Leben der Fußball-Legende interessie­rt, fährt zum Tabellenle­tzten der argentinis­chen Liga. Mit einem Video von Maradona-Spielszene­n und pathetisch­er Musik heißt Erstligist Gimnasia y Esgrima den 58-Jährigen als neuen Trainer willkommen. Der Gefeierte selbst wendet sich via Instagram an die Fans und kündigt an, „mit Leib und Seele“für den Club zu arbeiten.

„Er will sich mit vollem Stadion vorstellen, die Zuneigung der Menschen spüren“Gabriel Pellegrino Gimnasia-Präsident

Für denWeltmei­ster von 1986, der seine größten Zeiten als Spieler ab 1984 beim SSC Neapel hatte, ist der neue Job in La Plata rund 60 Kilometer südlich von Buenos Aires auch ein Comeback. Ende Juli 2010 war Maradona nach dem bitteren 0:4 im Viertelfin­ale der WM in Südafrika gegen Deutschlan­d als argentinis­cher Nationaltr­ainer geschasst worden, seitdem arbeitete er hauptsächl­ich fernab der Heimat – in Dubai, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, zuletzt in Mexiko. Sein Comeback scheint in Argentinie­n so ziemlich jeden zu freuen – auch die Konkurrenz.

„Herzlich willkommen im argentinis­chen Fußball, Diego!“, schrieb sein Ex-Club Boca Juniors bei Twitter. „Es ist eine Ehre, dich wiederzuse­hen. Glück und viel Erfolg mit Gimnasia. Wir erwarten dich zu Hause am 23. Spieltag der Superliga.“Atlético Lanús schlug scherzhaft sogar vor, sein Heimspiel gegen Gimnasia vom ersten Spieltag zu wiederhole­n. Jeder will „El Diez“– „Die 10“im eigenen Stadion empfangen.

Auf einem Foto mit Gimnasia-Präsident Gabriel Pellegrino hält Maradona lächelnd ein Trikot seines neuen Arbeitgebe­rs hoch – natürlich mit seinem Namen und der Nummer 10. Die Vertragsun­terschrift am Donnerstag bis zum Saisonende löste rund um den Tabellen-24. Euphorie aus. Die große argentinis­che Tageszeitu­ng „La Nación“schrieb von der „Rückkehr des Jahres“sowie einer „Revolution“und berichtet von neuen Club-Mitgliedsc­haften und hysterisch­en Fans.

Der argentinis­cheVolkshe­ld, dessen beste Fußballer-Jahre in den 80ern aktuell in einer Kino-Dokumentat­ion zu sehen sind und der immer wieder mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen hat, scheint sich rund anderthalb Monate nach einer Knieoperat­ion wieder fit zu fühlen. Seinen Trainerpos­ten beim mexikanisc­hen Zweitligis­ten Dorados de Sinaloa hatte Maradona im Juni aus gesundheit­lichen Gründen aufgegeben. Nun soll er Gimnasia vor dem Abstieg retten.

Am Sonntag leitet Maradona sein erstes öffentlich­es Training im Stadion, anschließe­nd wird er offiziell vorgestell­t. „Er will sich mit vollem Stadion vorstellen, die Zuneigung der Menschen spüren“, sagte Pellegrino. Gimnasia wies bereits darauf hin, dass es für die Präsentati­on in einem Hotel nur eine begrenzte Anzahl an Akkreditie­rungen geben werde – wenn Maradona kommt, ist in Argentinie­n Spektakel garantiert. Maradonas erstes Spiel ist für den 15. September gegen Liga-Meister Rácing Club angesetzt. Zum Titelkandi­daten wird Gimnasia aber auch mit Maradona erstmal kaum werden. Seine ganz großen Triumphe werden wohl jetzt der Leinwand vorbehalte­n bleiben.

Die Argentinie­r dürften Maradonas Rückkehr ins Rampenlich­t freudig aufnehmen. Schließlic­h haben sie genug ökonomisch­e und politische Sorgen, von denen sie sich von ihrem Enfant Terrible mit seinen dramatisch­en Kaspereien gerne ablenken lassen. Dafür, dass das Getöse laut wird, stehen die unersättli­chen Fußballmed­ien des Landes. Maradona war immer mehr für dieses Land. Kein Clown, ein Begnadeter.

Info Das Länderspie­l zwischen Deutschlan­d und den Niederland­en war bei Druckbegin­n dieser Ausgabe noch nicht beendet. Alle Informatio­n zum Spiel finden sie im Internet unter

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FOTO: IMAGO IMAGES Nirgendwo unentdeckt und überall belagert: ein Spaziergan­g mit Maradona.

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