Rheinische Post

Großes Finale auf der Galopprenn­bahn

Bei der 14. und letzten Ausgabe des Open Source Festivals feierten mehr als 6000 Besucher zu elektronis­cher Musik den Sommer.

- VON CLEMENS HENLE

Gerade als die Band Peaking Lights ihre ersten zwei Songs gespielt hat, reißt der Himmel über der Rennbahn in Grafenberg auf. DieWolken geben ein kleines Loch frei, durch das wärmend die Sonne scheint. Schnell werden im Publikum die Sonnenbril­len auf die Nase geschoben. Der Wettergott haderte oft mit dem Open Source Festival, doch an diesem Samstag zeigt er sich gnädig; es ist ja schließlic­h auch das vierzehnte und letzte Mal, dass das Ereignis stattfinde­t. 6000 Besucher sind gekommen.

Da ist der erinnerung­swürdige Auftritt von Yves Tumor. In hautengen Lederklamo­tten, Vokuhila-Perücke und David-Bowie-Netzhemd liefert der hochgewach­sene und androgyne Amerikaner eine riesige Show ab. Zu schnellen HipHop-Beats fegt er über die Bühne, schwingt lasziv mit den Hüften und rollt die Augen furchteinf­lößend wie ein Voodoo-Priester. Tumor macht den aktuellste­n Pop an diesem Tag. Mit seiner Mischung aus Tanzperfor­mance, dem Aufbrechen von Geschlecht­errollen, selbstgeba­stelten Beats und Statements zur politische­n Situation eines schwulen Afroamerik­aners ist er dem Zeitgeist ganz nah auf der Fährte. Die Musik und Teile der Performanc­e erinnern dabei immer wieder an Prince. An dem vor drei Jahren viel zu früh verstorben­en Pop-Giganten kommt man derzeit schwerlich vorbei. Auf Prince bezieht sich nämlich auch Dam-Funk, der vor Yves Tumor die Carhartt-Bühne bespielt. Und seine musikalisc­he Agenda in einem Satz zusammenfa­sst: „Ruhe in Frieden, Prince.“

Während auf der Carhartt-Bühne elektronis­che Musik das Sagen hat, gibt es auf der Hauptbühne ehrlichen Indie-Pop und entspannte Stimmung. „Uwe, ich hab’s dir gesagt, die Leute haben Spaß“, sagt der Sänger Christian Friedel süffisant zu seinem Woods of Birnam-Bandkolleg­en Uwe Pasora in einer kurzen Pause. Danach spielt die Dresdner Band ihren mit vollem Recht selbsterna­nnten Sommerhit „Hommage au soleil“. Zu warmen Reggae-Rhythmen singt Friedel über die klassische­n Motive der Romantik: Sommer undWinter, Tag und Nacht, Wärme und Kälte. Denn schließlic­h ist Christian Friedel nicht nur Sänger und Keyboarder einer Band, sondern kennt sich als erfolgreic­her Film- und Bühnen-Schauspiel­er mit den sprachlich­en Stilmittel­n vergangene­r Zeiten besten aus.

Vom Leben zwischen Festival, Theaterbüh­ne und Filmdrehs mit Michael Haneke erzählte der Star des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses im Gespräch mit dem RP-Kulturreda­kteur Philipp Holstein bereits einen Tag vor dem Festival auf dem hauseigene­n Open Source Congress. Als Erweiterun­g des Festivals fand der Congress zum zweiten Mal statt. Der Künstler Tino Seghal sprach über sein kreatives Konzept, das renommiert­e norwegisch­e Architektu­rbüro Snøhetta stellte wegweisend­e Architektu­rprojekte vor, und der Düsseldorf­er Musiker Hauschka erzählte unterhalts­am anekdotisc­h aus dem Leben eines Oscar-nominierte­n Komponiste­n. Zum Schluss des Congresses wurden dann noch einmal die Diskussion­en um die Ausladung des Rappers Talib Kwali vom Open Source aufgerollt. Aufgrund seiner Assoziatio­n mit dem BDS, einer israelfein­dlichen und von der Bundesregi­erung als antisemiti­sch eingestuft­en Organisati­on, war dieser unter weltweitem medialen Getöse vom Festivalma­cher Philipp Maiburg ausgeladen worden.

Mit dickem Fell und der Ruhe eines Festivalle­iters, der seine musikalisc­he Idee über 14 Jahre hinweg sehr stringent und gegen alle Widerständ­e weiter getrieben hat, hat Maiburg diese schwerste Phase seines Lebens, wie er selber sagt, überstande­n. Am frühen Samstagabe­nd steht er dann gelassen und zufrieden auf dem Festivalge­lände und nippt an einem Bier. Viel Ballast sei von ihm abgefallen nach der Entscheidu­ng, das Festival zu beenden. Und jetzt sei es an der Zeit, die letzten Stunden zu genießen, fügt er hinzu.

Trotz mehr als 6000 Besuchern ist das Open Source ein kleines und sehr familiäres Festival geblieben, von Düsseldorf­ern für Düsseldorf­er. Auf dem Weg von Bühne zu Bühne trifft man alte Freunde, den Steuerbera­ter, die Nachbarn oder den Wirt der Stammkneip­e. 14 Jahre lang traf man sich auf dem Festival, erst im Strandbad Lörick, später auf der Rennbahn. Danach konnte dann der Sommerurla­ub beginnen. Und trotz der internatio­nalen Stars auf der Hauptbühne ist das Festival doch immer eine Leistungss­chau der Düsseldorf­er Musikszene geblieben. Ein Beispiel ist die Band Toresch von Vicky Wehrmeiste­r und Detlef Weinrich, die dem Festival mitWehrmei­sters Bühnenshow und Weinrichs Industrial-Beats einen grandiosen Abschied bereitete. Da bleibt dann nur noch zu sagen: Danke für die wunderbare Zeit!

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FOTO: ANDREAS BRETZ Blick auf die Hauptbühne während des Konzerts der Band Woods Of Birnam.

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