Die perfekte Welle Panorama
In Langenfeld können Surfer neuerdings auf der weltweit ersten stehende Welle in einem See reiten. Die Szene ist begeistert. Aber ist das auch was für Anfänger? Ein Selbstversuch.
Sehr nass, sehr viel Spaß – in Langenfeld kann man auf der weltweit ersten stehenden Welle in einem See surfen. Ein Selbstversuch.
LANGENFELD Ich liebe das Wasser. Wenn ich drauf schaue.Vom Strandtuch oder einer Terrasse zum Beispiel. Oder vom Boot aus. Der Blick auf das Fließende entspannt, die Atemzüge werden gleichmäßiger und tiefer. Wassersport überlasse ich allerdings anderen, auch wenn mir mein Arzt mit Verweis auf mein Übergewicht das Schwimmen als gelenkschonenden Sport empfiehlt. Was mich aber fasziniert, sind die Surfer. Wie kann man auf einem länglichen Stück Polyester so eine stürmische Welle abgleiten? Für mich die Königsdisziplin des Wasserssports. Ästhetisch ein Genuss. Athletisch zumal.
Könnte ich das auch? Für einen Selbstversuch muss ich nicht an die portugiesische Atlantikküste fliegen. In Langenfeld, knapp 25 Autominuten von Düsseldorf entfernt, gibt es seit Kurzem die weltweit erste künstlich stehendeWelle in einem See. Acht Meter breit, per Knopfdruck auf bis zu 1,60 Meter hoch regulierbar. Eine Welle, die nie aufhört zu brechen, so lange die zwölf Wasserpumpen laufen, die pro Sekunde 15.000 Liter Wasser aus dem See durch einen stufenförmigen Kunststoff-Ponton schießen. Das ist etwa so viel wie 70 volle Badewannen. In der Mitte wird dasWasser von einem so genannten Kicker unterbrochen, einer Erhöhung, die aus dem Strom die Welle macht. Müssen Surfer im Ozean kräftezehrend nach der perfekten Welle paddeln, ist der Einstieg hier bequem vom Holzsteg möglich. Für die Konstruktion haben die Langenfelder Betreiber der Anlage eine Firma aus Köln und Ingenieure aus München beauftragt. Der Prototyp sorgt in Internetforen der Surfer-Szene für Aufsehen.
Für meine Premiere suche ich mir leider ein windiges Wochenende im Juni aus. Aber Hannes Schrot, Sportwissenschaftler, seit acht Jahren Surflehrer und Leiter der Anlage, beruhigt. „Jeder kann bei einer gewissen Grundsportlichkeit die Welle stehen.“Ich zwänge mich in den Neoprenanzug, wir machen Trockenübungen auf dem Steg. Die Welle lärmt, mich fröstelt es. „Den hinteren Fuß weit nach hinten auf das Board stellen, in die Knie gehen, den Blick nach vorne, sagt Schrot. „Das ist das Wichtigste gleich. Nicht nach unten schauen, sondern geradeaus.“Nur so könne man das Gleichgewicht halten. Und dann: „Einfach stehenbleiben.“
Aha. Hannes Schrot fährt dieWelle auf Anfängermodus herunter, 1,30 Meter hoch ist sie „nur“noch. Ich setze mich an den Beckenrand, das Board setzt auf dem Wasser auf und fängt sofort an zu wackeln. Schrot hält meine Hand, führt mich auf das Wasser. „Jetzt einfach stehen bleiben“, sagt er und schiebt mich noch ein bisschen. Dann lässt er los. Ich stehe. Krumm, aber ich stehe. 21, 22. Vielleicht zwei Sekunden, dann liege ich kopfüber im Wasser. Die Welle hat mich nach hinten gespült auf die „Lippe“, den steilen Rand. Da gibt es kein Halten mehr. Ich hätte mit dem vorderen Fuß die Nase des Boards runterdrücken müssen. In den beiden nächsten Versuchen ein ähnliches Ergebnis. 21, 22, 23. Der Ehrgeiz ist längst geweckt. Dann klappt es. Ich stehe und fahre mit einem leichten Körperdreh zum anderen Beckenrand. Ein großartiges Gefühl. „Sage ich doch“, ruft Hannes Schrot.„Jeder kann es schaffen.“
Ein Erfolgserlebnis schon beim ersten Mal. Das verspricht Schrot jedem Anfänger. Nach 40 Minuten beende ich trotzdem freiwillig die Lehrstunde. Die Oberschenkel schmerzen, die Arme sowieso. Das Zurückschimmen und Herausklettern aus demWasser ist anstrengender als das Surfen. Aber ich verstehe die Faszination. Eine Welle zu stehen, die Kontrolle über die Wassermassen, und sei es auch nur für Sekunden, ist ein erhabenes Gefühl. Ich komme wieder.
Allerdings hat der Spaß auch seinen Preis. 34 Euro kostet eine Stunde Wellenreiten in Langenfeld. Wer den Surflehrer dazu bittet, muss 65 Euro zahlen. Die Betriebskosten für die künstliche Welle sind hoch. 350 Kilowatt Strom verbraucht die Welle pro Stunde, nicht viel weniger als ein vierköpfiger Haushalt pro Mo
nat. Die Anlage wird, wie die vier Wasserski-Anlagen auch, vollständig aus Öko-Strom gespeist. Johannes Sühs, der Senior-Chef der weltgrößten Wasserskiattraktion, hat sich die ökologische Verträglichkeit der Freizeitattraktion auf die Fahnen geschrieben und seit der Gründung des Unternehmens 1976 durch den Vater Wilhelm zugleich immer wieder mutige Innovationen umgesetzt.
Was Ende der 1980er Jahre als kleine Seilbahn auf einem Baggersee begann, ist heute eine europaweit bekannte Attraktion und ein Unternehmen mit mehr als 260 Mitarbeitern (davon zwei Drittel Aushilfen) und 400.000 Besuchern pro Jahr. Das operative Geschäft haben inzwischen die Söhne Florian und Benjamin übernommen. Auch sie wissen, dass Freizeitangebote dauerhaft nur erfolgreich sein können, wenn sie der jungen Generation ständig etwas Neues bieten. Deshalb die millionenschwere Investition in die Surf-Anlage.
Und wer doch lieber nur auf das Wasser schaut, kann trotzdem nach Langenfeld kommen. Der feine Sandstrand mit Badestelle (ausgezeichnete Wasserqualität laut NRW-Umweltministerium) und neuem Abenteuerspielplatz bietet sich da an oder das modernisierte Biergarten-Restaurant „Seehaus“, das die Familie nun in Eigenregie übernommen hat. Es muss also nicht immer Sport sein.