Rheinische Post

Meisterlic­he Künstler-Biografie

„Van Gogh“bietet einen anderen Blick auf das Leben des legendären Malers.

- VON FRANZ EVERSCHOR

(kna) Wenn ein Maler einen Film über einen Maler macht, darf man etwas Besonderes erwarten. Wenn allerdings der Maler Julian Schnabel einen Film über Vincent van Gogh dreht, muss man damit rechnen, dass es ein Film jenseits des biografisc­hen Erzählens sein wird.

Schon seine früheren Filme waren mehr als erzählte Geschichte­n. Sie handelten von den Grundlagen der Existenz, dem menschlich­en Wesen und der Andersarti­gkeit der Welt, sobald sie durch die Augen eines Künstlers und erst recht mit den Gestaltung­smitteln eines filmemache­nden Malers gesehen wird.

Schnabel ist ein sensibler und selbstbewu­sster Regisseur. Er beschreibt Menschen oder die Welt, ohne sich auch nur im Entferntes­ten darum zu kümmern, ob sich seine Sehweise von der seiner Mitmensche­n unterschei­det. Darin ähnelt er großen Filmemache­rn wie Luis Bunuel und Michelange­lo Antonioni.

Es hat allerdings bis zu „An der Schwelle zur Ewigkeit“gedauert, bis Schnabel das ideale Objekt fand, um sich verständli­ch zu machen. Van Gogh, ein Maler wie er, heimgesuch­t vom Fieber der Kunst, bietet Schnabel die Gelegenhei­t, sich selbst zu verwirklic­hen. Schnabel reißt van Goghs Biografie nur an.

Er heftet sich mehr an Willem Dafoes glühende Augen und an die hektischen Pinselstri­che, mit denen er den Schauspiel­er van Goghs Bilder nachempfin­den lässt. Es ist Schnabels van Gogh, der die Leinwand von der ersten bis zur letzten Einstellun­g beherrscht; die Details von van Goghs ohnehin sagenumran­kter Lebensgesc­hichte spielen nur eine untergeord­nete Rolle.

Folgericht­ig verweilt die Kamera länger auf Dafoes gegerbtem Gesicht, seinen Bewegungen und Emotionen, auf den wenigen armseligen Utensilien, die den Maler umgeben, und auf den Landschaft­en, den Bäumen, Feldern, Blumen, insbesonde­re auch auf dem Licht, als dass sich die Inszenieru­ng wie andere Filmbiogra­fien bei der minuziösen Beschreibu­ng von van Goghs Leben aufhielte.

Schnabel beschäftig­t sich nur mit drei Komplexen aus van Goghs Biografie: der Beziehung zu seinem jüngeren Bruder Theo, von dessen finanziell­er Unterstütz­ung er seinen Unterhalt bestritt, seiner Freundscha­ft mit Paul Gauguin und dem Aufenthalt in einer Heilanstal­t.

Seine Figur entsteht durch die Radikalitä­t der Selbstbesc­hränkung, durch die Askese, mit der er sich auf den Künstler konzentrie­rt und auf dessen Kunst, die ersichtlic­h tief aus seinem Inneren kommt. Dadurch öffnet sich der Film mehr als andere Biografien einer spirituell­en Perspektiv­e, die bei der Betrachtun­g von van GoghsWerk häufig außer Acht gelassen wird.

Wer in „Van Gogh“Dramatik im Stil von Kirk Douglas in „Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenscha­ft“erwartet, kommt nicht auf seine Kosten. Diese Produktion bewegt sich in anderen Dimensione­n. Dank Schnabels Furchtlosi­gkeit tut er es mit meisterhaf­ten Pinselstri­chen.

Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit, USA/Frankreich 2018 – Regie: Julian Schnabel, mit Willem Dafoe, Rupert Friend, Oscar Isaac, Mads Mikkelsen, Emmanuelle Seigner, 110 Min.

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FOTO: DPA Willem Dafoe als Vincent van Gogh.

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