Nur der Kaiser aß aus gelben Schalen
Chinesische Keramik und die Symbolkraft der Farben stehen im Zentrum einer Ausstellung im Hetjens-Museum.
Die neue Ausstellung im Hetjens-Museum trägt den Titel „Alle Farben Chinas“. Ein beträchtlicher Teil der Exponate gehört zum hauseigenen Bestand, wird aber mehr als ergänzt durch Leihgaben aus bedeutenden deutschen Privatsammlungen. In der chinesischen Kultur besaßen Farben symbolische Bedeutungen, die meist den drei großen philosophischen Lehren Daoismus, Konfuzianismus und Buddhismus entsprangen. Sie konnten Elemente, Energien, kosmische Zyklen, Dynastien, Gottheiten oder Planeten repräsentieren. Aus diesem Grund besitzen auch Farbglasuren und Schmelzfarbendekore auf alter chinesischer Keramik oft tiefere Bedeutungsinhalte, die sich nur den Eingeweihten erschließen. Die suggestiven Farbbotschaften richteten sich an den menschlichen Betrachter, oft waren sie aber auch für die Götter bestimmt.
Grundlage der chinesischen Sichtweise auf Farben ist die daoistische Fünf-Elemente-Lehre. Laut dieser Lehre besteht der Kosmos aus den fünf Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Jedes Element wird durch eine bestimmte Farbe, Himmelsrichtung, Jahreszeit, einen Planeten, ein Symboltier und weitere Dinge repräsentiert. Die fünf Grundfarben Schwarz, Weiß, GrünBlau, Rot und Gelb stehen symbolisch für den ständigen Wandel der Welt. Jede chinesische Kaiserdynastie wählte eins der fünf Elemente und damit auch eine Farbe als ihr dynastisches Symbol. Viele offizielle Porzellane der Yuan- (weiß), Ming- (gelb) und Qing-Dynastien (gelb) wurden daher in deren dynastischen Farben glasiert.
Prachtstück der Ausstellung ist ein kaiserlicher Acht-Pfirsich-Teller, den ein Privatsammler zur Verfügung gestellt hat. Sein Wert wird siebenstellig taxiert. Die wunderschöne Bemalung ist voller Symbolik, die man sich am besten bei einer Führung erläutern lässt.
Die Glasuren der Ritualporzellane, die von den Ming- und Qing-Kaisern bei den wichtigen Staatsriten zu Ehren des Himmels, der Erde, des Monds und der Sonne verwendet wurden, folgten nicht gänzlich der Fünf-Elemente-Lehre. Sie orientierten sich mehr an den tatsächlichen Farben des verehrten Konzepts. Auf dem Himmelsaltar wurden blaue, auf dem Erdaltar gelbe, auf dem Sonnenaltar rote und auf dem Mondaltar weiße oder hellblaue Opfer- gefäße verwendet. Farben, Formen und Größen waren, wie praktisch jedes Detail der Riten, in offiziellen Regularien festgelegt.
Am Kaiserhof gab es ebenfalls besondere Regeln für die Verwendung farbigen Porzellans. Bei festlichen Anlässen wurde in der größten Halle des inneren Hofes derVerbotenen Stadt, ein Festbankett aufgetischt, an dem die Kaiserin, seine Mutter und alle seine weiteren Gemahlinnen teilnahmen. In den Palastregularien war genau festgelegt, wie die Farbdekore der Porzellanschalen auszusehen hatten. Nur der Kaiser, die Kaiserin und die Witwe des alten Kaiser durften aus vollständig gelbglasierten Schalen essen. Je höher der Rang einer Gemahlin, desto näher standen die Speisen am erhöhten Thron, wo der Kaiser alleine unter der Plakette mit der Aufschrift „Der große Rechtschaffene erstrahle hell!“speiste. Eine Konkubine konnte durch die Geburt eines Sohnes, den Tod einer Höherrangigen oder die Gunst des Kaisers in der Haremshierarchie aufsteigen, also im Laufe ihres Lebens von verschiedenen Farbdekoren gegessen haben.
Schwerpunkt der Ausstellung ist die monochrome Keramik, die in China vor der Verbreitung des Blauweißporzellans am beliebtesten war. Es werden Stücke aus fünf Kaiserdynastien und verschiedenen regionalen Produktionszentren vorgestellt, von denen viele einen hohen Grad an technischer Perfektion und modern wirkender, puristischer Ästhetik besitzen. Kaum zu glauben, dass es sich um Jahrhunderte alte Handwerkskunst handelt.
Weitere Schwerpunkte der Ausstellung sind bichrome und polychrome Porzellane der Ming- und Qing-Dynastien, die am kaiserlichen Hof für Staatsrituale und als Bankettgeschirre verwendet wurden.