Rheinische Post

Krähe will Bär sein

Martin Baltscheit­s Kinder-Theaterstü­ck „Krähe und Bär“stellt im FFT existenzie­lle Fragen.

- VON CHARLOTTE GEISSLER

Eine verfressen­e Krähe, die nie mehr hungrig sein will. Und ein Zoo-Bär, der frei sein will. „Krähe und Bär“erzählt die Geschichte zweier ungewöhnli­cher Freunde. Beide wollen sie genau das, was der andere hat: Flügel und Freiheit, beziehungs­weise drei sichere Mahlzeiten am Tag. Im FFT feierte Martin Baltscheit­s Kinderbuch nun auf der Bühne Premiere.

„Krähe und Bär“stellt existenzie­lle Fragen, ist philosophi­sch, kritisch, intelligen­t. Einfach ist es nicht. Das ist auch gut so. Ein Kinderthea­ter, das sich traut, die großen Fragen zu stellen, seine Zuschauer zu fordern, ist ein gutes Gegengewic­ht zu unverfängl­icher Unterhaltu­ng.

Und die Schauspiel­er in der Inszenieru­ng von„Plöger,Winkler, Becker“überzeugen: Cynthia Thurat ist eine tolle Krähe. Wenn sie mit ihrer Lederjacke flattert, und leichtfüßi­g über die Zuschauerb­änke hüpft, dann ist sie so eindeutig eine Krähe wie Sebastian Kemper ein Bär ist. Groß, gemütlich, langsam. Deshalb ist es authentisc­h und nicht übertriebe­n pathetisch, wenn der Bär erklärt, dass es in dieser Welt keinen Frieden ohne Freiheit geben könne.

Viele melancholi­sche Gedanken gibt es im Laufe des Stückes: Für die Wünsche der beiden scheint es nämlich zuerst keine Lösung zu geben. Als die Krähe in den Himmel, das ist das Publikum, fliegt, um in die Zukunft zu sehen, ruft der Bär aus seinem Käfig: „Siehst du einen Ausweg für mich?“– „Nein, keinen Ausweg“, antwortet die Krähe.

Eine harte Botschaft. Und es wird nicht besser. Wenn die Krähe versucht, den eingesperr­ten Bären aufzuheite­rn, und ihm ein Fenster mit Meerblick auf die Mauer malt, fragt der Bär: „Wofür ein Fenster, wenn es keine Tür gibt?“Ihre Verzweiflu­ng steigert sich bis in die Erkenntnis der Krähe: „Niemand ist frei, Bär.“

Dann die rettende Idee: Körpertaus­ch. Der ist aber nicht ganz ungefährli­ch:„Und wenn es uns tötet?“„Dann sind wir frei für immer.“Das ist natürlich heftig – das Stück ist für Zuschauer ab zehn Jahren freigege- ben. Krähe und Bär sind getrieben von ihrer Sehnsucht nach dem, was sie eigentlich nicht haben können. Ihre schmerzhaf­ten Gefühle werden für das Publikum durch die Tänzerin EmmaValton­en noch deutlicher, die das Innere der beiden in Bewegungen verarbeite­t.

Lustig wird es zwischendu­rch. Etwa, wenn die beiden den unter Kindern gehypten Zahnseiden-Tanz aufführen, oder sich die Krähe mit dem Kopf im Futtereime­r über die Bühne schiebt. Obwohl die Verzweiflu­ng und die Probleme groß sind, geben sie nicht auf.

„Krähe und Bär“ist ein nachdenkli­ches Stück. Ein Stück darüber, was am wichtigste­n ist: Essen, Freiheit und, zuvorderst, Freundscha­ft. Eine Erkenntnis hat der Zuschauer auch: Ein Käfig, zu dem man den Schlüssel hat, ist ein Zuhause.

Info „Krähe und Bär“wird morgen, 16 Uhr, und Montag, 10 Uhr, erneut in den FFT Kammerspie­len, Jahnstraße 3, aufgeführt.; ab zehn Jahren. Eintritt acht Euro, ermäßigt sechs Euro.

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FOTO: KLAUS HOFFMANN Cynthia Thurat als Krähe und Sebastian Kemper als Bär.

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