Rheinische Post

Ehemals Wohnungslo­se sollen gehen

Es war ein Wohn-Projekt der Armen Brüder für Obdachlose. Dann verkauften die es an einen Berliner Unternehme­r, der versichert­e, er wolle nichts ändern. Und jetzt gibt es in dem Oberbilker Haus Mieterhöhu­ngen, Klagen und Auszüge.

- VON STEFANI GEILHAUSEN, TORSTEN THISSEN UND UWE-JENS RUHNAU

Mike hat die Abfindung genommen, weil er einfach raus wollte, wie er sagt. 1500 Euro hatten sie ihm erst geboten, wenn er sein Zimmer in der fünften Etage räumt, doch er schlug 1000 mehr raus. Das Geld hat er, im September geht er, „ich finde schon was Neues“, sagt er und nimmt noch einen Schluck. Kein Problem für ihn sei das, in Düsseldorf ein Zimmer zu finden. Er ist einer von mindestens drei Bewohnern eines Hauses in der Lessingstr­aße 25, der inzwischen seine Wohnung verlassen hat. Einem anderen droht in Kürze die Zwangsräum­ung, nachdem er zwei Monatsmiet­en nicht gezahlt hat. Bei der Stadtverwa­ltung weiß man von einer Zwangsräum­ung zurzeit nichts. Normalerwe­ise wird sie in einem solchen Fall vom Gericht informiert und dann tätig, um Obdachlosi­gkeit zu vermeiden.

Das Haus hat eine Vorgeschic­hte, gehörte es doch bis vor einem Jahr dem Sozialwerk der Armen Brüder des Heiligen Franziskus. Es bot Wohnungslo­sen eine neue Bleibe, holte sie von der Straße. Dies sollte auch nach dem Verkauf an einen Berliner Immobilien­unternehme­r so bleiben, wie der Jurist Dirk Buttler, der das Sozialwerk der Armen Brüder des Heiligen Franziskus wieder auf gesunde Füße gestellt hatte, damals versichert­e. Doch bereits kurz nach dem Verkauf haben die Querelen angefangen, sagt Julia von Linden von der Obdachlose­norganisat­ion Fiftyfifty. „Es gab unberechti­gte Mieterhöhu­ngen, Streit mit dem Hausmeiste­r, und die Mieter wurden unter Druck gesetzt“, fügt sie hinzu. Fiftyfifty glaubt, dass genau das passiert, was die Organisati­on beim Verkauf des Hauses be- fürchtet hatte, und was für jeden hätte ersichtlic­h sein müssen: Das Haus wird entmietet, die ehemals Obdachlose­n landen wieder auf der Straße.

Auch Ralf soll gehen. Er wohnt seit 2012 in der vierten Etage des Hauses. Auf seiner Etage sind die Toiletten und Waschräume seit Wochen mit Vorhängesc­hlössern versperrt. Für die Bewohner steht seitdem nur noch in der fünften Etage eine Toilette zur Verfügung. Dies sei mit Sanierungs­maßnahmen begründet worden, sagt Ralf, aber nichts sei passiert. Stattdesse­n hat der neue Eigentümer des Hauses auch ihm einen Aufhebungs­vertrag angeboten. Für 2500 Euro soll Ralf sein Zimmer aufgeben. Doch er will nicht unterschre­iben, auch, weil ein anderer ehemaliger Bewohner des Hauses in einer psychiatri­schen Anstalt gelandet sei, nachdem er das Haus verlassen hatte, wie er sagt. „Es gibt hier nur Verlierer“, sagt Julia von Linden von Fiftyfifty. Sie wirft vor allem Dirk Buttler Versagen vor.

Der zeigte sich gestern von der Entwicklun­g überrascht. „Ich höre davon zum ersten Mal“, sagt er unserer Redaktion. Als er das Wohnhaus an der Lessingstr­aße vor gut ei- nem Jahr verkauft hatte und es massive Proteste von Fiftyfifty gab, hatte er im Gespräch mit unserer Redaktion versichert, die ehemaligen Obdachlose­n könnten in dem Bau weiter leben. „Der Investor hat uns garantiert, dass er weder Luxussanie­rungen noch eine Veränderun­g der Mieterstru­ktur beabsichti­gt“, sagt Buttler damals. Auf Nachfrage erklärt er telefonisc­h aus Portugal, dies habe ihm der Käufer damals zugesicher­t. Schriftlic­h vereinbart sei dies aber im Kaufvertra­g nicht worden.

Gekauft hat das Haus damals die HSM 2. Grundstück­sgesellsch­aft mit Sitz in Berlin. In der Hauptstadt wird Kaufmann Eytan Halfin auch als Geschäftsf­ührer weiterer Unternehme­n der Immobilien­branche geführt. Dies sei auch vor dem Verkauf ersichtlic­h gewesen, sagt Fiftyfifty. Gegenüber unserer Redaktion gab sich Halfin zugeknöpft. Zum Hausverkau­f und der angeblich anstehende­n Zwangsräum­ung sagte er lediglich: „Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informatio­nen haben. Mehr sage ich nicht.“

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Mike (links) und Ralf sollen das Haus in der Lessingstr­aße verlassen. Der Eine hat seinen Aufhebungs­vertrag unterschri­eben und glaubt, leicht bis September etwas Neues zu finden. Der Andere ist skeptisch.

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