SPD geht tief gespalten in Richtungsentscheidung
(kd/mar) Die SPD steht mit ihrem Parteitag zur Koalitionsfrage vor einer Zerreißprobe. Die Befürworter der Aufnahme von Verhandlungen mit der Union und die Gegner gehen kompromisslos in den Kongress am Sonntag in Bonn. Eine Brücke könnte die Mahnung von Parteilinken sein, die Entscheidung über eine Fortsetzung der Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Mitgliedern zu überlassen. Juso-Chef Kevin Kühnert rief die 600 Delegierten gestern erneut auf, sich für eine Erneuerung der angeschlagenen Partei in der Opposition zu entscheiden. Merkel hat für Sonntag eine Sitzung von CDUPräsidium und Vorstand angesetzt. Im Falle eines Neins der SPD wäre eine Neuwahl wahrscheinlicher als eine Minderheitsregierung. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereitet sich auf eine Reaktion vor.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte unserer Redaktion, nach dem Scheitern von Jamaika und wegen des fehlenden Mutes der Union zu einer Minderheitsregierung müsse die SPD regieren. „Wir können als Sozialdemokraten selbstbewusst in ein solches Zweckbündnis gehen.“Das Sondierungspapier trage die Handschrift der SPD. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz mahnte, ohne die SPD werde es viele Verbesserungen für Arbeitnehmer, Rentner und Mieter nicht geben.
Verstehen kann man die Jusos schon irgendwie. Die Neuauflage der großen Koalition versprüht den Duft eines verstaubten Teppichs, der viele Jahre im Hobbykeller vor sich hin müffelte. Nur greifen die Jusos in ihrer Replik auch in die Mottenkiste. Wann lernt die SPD, dass ein Linksschwenk die Partei nicht wieder nach oben bringt? Die Wahlkämpfe 2009, 2013 und 2017 wurden doch dezidiert mit einem linken Programm geführt, die Themen soziale Gerechtigkeit und gute Arbeit standen im Mittelpunkt. Heute ist die SPD bei 18 Prozent. Nun soll noch mehr Kapitalismuskritik, gepaart mit Bürgerversicherung und höherem Spitzensteuersatz die Lösung sein? Sogar die „Zeit“beklagt das Fehlen der überzeugten politischen Mitte.
Die Jusos sollten vielmehr die Groko akzeptieren, aber personell und inhaltlich einen Neustart verlangen. Neue Ressorts (Integration, Digitales), eine Politik für Aufsteiger und Leistungsbereite, für Familien und Gruppen, die wirklich dringend Hilfe benötigen (Pfleger, Erzieher, Alleinerziehende). Dazu neue Köpfe im Kabinett. Dafür lohnte es sich zu streiten. Dann könnte die SPD vielleicht auch in der Groko reüssieren. Minderheitsregierungen, Neuwahlen, alles keine echten Alternativen. BERICHT