CSU setzt SPD Frist für Groko
Merkel will zügig verhandeln und eine Minderheitsregierung oder eine Neuwahl abwenden. Die CSU macht mehr Druck. In der SPD-Fraktion streiten Schulz und Gabriel über die richtige Kommunikation.
BERLIN Die Union will die Gespräche mit der SPD über eine erneute große Koalition viel straffer und schneller führen als die Sondierungen mit FDP und Grünen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte gestern in Berlin, mit der SPD als gut bekanntem Regierungspartner könne die Union zur klassischen Form der Sondierungen zurückkehren und zügig zentrale Themen für die Koalitionsverhandlungen festlegen. Dazu zählt Merkel Sicherheitspolitik, Digitalisierung, Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen und Europapolitik. Europäische Belange würden wohl schon morgen beim ersten Treffen der Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD angesprochen.
Merkel sagte, anders als bei den Jamaika-Gesprächen solle es diesmal „weniger Öffentlichkeitsarbeit“geben. Über soziale Netzwerke war es vor allem bei FDP und Grünen zu Verwerfungen und Missverständnissen gekommen. Merkel selbst will ihre Zurückhaltung während der Beratungen mit der SPD fortsetzen. Zugleich betonte sie, dass sie eine stabile Regierung bilden wolle. Eine Minderheitsregierung sei „in jedem Fall keine stabile Regierung“. In der Union plädiert etwa Finanzstaatssekretär Jens Spahn für eine unionsgeführte Minderheitsregierung. Einer solchen Option, die es auf Bundesebene noch nie gab, wird schon jetzt ein frühes Scheitern vorausgesagt. Eine Neuwahl will Merkel aber verhindern.
Die CSU nennt allerdings bereits einen Zeitplan mit klaren Fristen und kann sich auch eine Minderheitsregierung vorstellen. „Ende Januar sollten wir wissen, ob wir in Koalitionsverhandlungen eintreten“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Sollte es von der SPD dann keine Bereitschaft geben, sei eine Minderheitsregierung für eine relativ kurze Zeitspanne denkbar, danach wären Neuwahlen noch vor der Sommerpause möglich. Die CSU sei klar für eine große Koalition. Die SPD dürfe nach dem ersten großen Fehler, zunächst gar nicht darüber sprechen zu wollen, nun aber nicht den zweiten großen Fehler begehen und bei der Position bleiben, dass es für die Union teuer werde. „Die SPD muss verstehen: Die Mehrheit in einer großen Koalition wäre eine bürgerliche“, sagte Dobrindt. Grundlage könne kein „Patchwork“aus Parteiprogrammen sein wie bei der jüngsten Koalition. Er warnte SPD-Chef Martin Schulz vor einem Festhalten an seiner Absicht, bis 2025 die Vereinigten Staaten von Europa schaffen zu wollen. Dieser „Europa-Rigorismus“verringere die Zustimmung der Menschen zu Europa.
Auf den wachsenden Druck aus der Union reagierte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gelassen. „Jamaika hat das Land zwei Monate lang aufgehalten. Die SPD lässt sich nicht unter Druck setzen“, sagte Klingbeil unserer Redaktion. „Nicht von Angela Merkel und auch nicht von der CSU.“
Unterdessen kam es zu einem Scharmützel zwischen Schulz und seinem Amtsvorgänger Sigmar Gabriel in einer Fraktionssitzung, wie Teilnehmer berichteten. So habe Schulz „private Koalitionsverhandlungen“einzelner SPD-Politiker über die Medien etwa zur Bürgerversicherung kritisiert. „Klare Ansage: Klappe halten“, wurde Schulz zitiert. Gabriel soll sich angesprochen gefühlt und scharf reagiert haben. Seiner Ansicht nach müsse die SPD „raus aus der Kampfzone, rein in die Testphase mit der Union“. Einig waren sich Schulz und Gabriel aber darin, dass auch ein sogenanntes Kooperationsmodell anstelle eines ausformulierten Koalitionsvertrags treten könnte. Danach würde es lediglich in einzelnen Bereichen Kooperationen mit der Union geben. Leitartikel Seite A 2