„Batterien mit mehr Energie versehen“
Martin Winter ist Gründer und wissenschaftlicher Leiter des MEET Batterieforschungszentrums der WWU Münster und Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts Münster des Forschungszentrums Jülich. Viele Autofahrer bemängeln die geringe Reichweite der E-Autos. Kann man nicht einfach größere Batterien bauen? MARTIN WINTER Theoretisch kann man beliebig viele Batteriezellen zu größeren und schwereren Batterien kombinieren. Besser ist es, die Batterie über neue Zelltechnologie und besseres Engineering mit mehr Energie bei gleichem Gewicht und Volumen zu versehen. Wird denn ein E-Auto je die Reichweite eines Verbrenners erreichen? WINTER Um 100 Kilometer zu fahren, muss eine Batterie derzeit ungefähr 130 bis 140 Kilogramm schwer sein. Im Jahr 2025 wird das Gewicht voraussichtlich auf 80 bis 90 Kilogramm sinken. Ein Fahrzeug mit 650-Kilo-Batterie könnte so auf 800 Kilometer Reichweite kommen. Lässt sich die Ladedauer beschleunigen? WINTER Wir sind bei der Batterieentwicklung im Frühstadium. Vor zehn Jahren war nicht abzusehen, dass wir heute 80 Prozent der Kapazität in 20 bis 30 Minuten laden können. Die Ladezeit wird in Zukunft weiter sinken. Wie sieht es mit der Lebensdauer aus? WINTER In mir bekannten Fällen sank die Kapazität nach etwa 250.000 Kilometern auf nur 90 Prozent des Anfangswertes. Je nach Batterietyp ist mit 70 bis 80 Prozent Restkapazität das Ende des „ersten Lebens“erreicht. Danach kann sie im „zweiten Leben“zum Beispiel als Heimspeicher für Solarstrom verwendet werden. Ist sie dafür nicht mehr verwendbar, kann Recycling Sinn machen. Die Elektromobilität kommt nur langsam in Fahrt. Zwar haben sich die Anträge auf den Umweltbonus seit Januar verdreifacht. Doch auf den Straßen ist davon wenig bis gar nichts zu spüren. „Die Deutschen sind es gewohnt, dass sie ihr Auto in zwei Minuten volltanken und dann 600 bis 800 Kilometer weit fahren können“, sagt Alexander Waldhelm von Elektromobilität NRW. „Sie haben Angst, mit einem E-Auto liegenzubleiben. Die Angst ist irrational, aber sie ist nur schwer aus den Köpfen zu bekommen.“
Tesla zum Beispiel baut Stromer, die bis zu 600 Kilometer weit fahren können. Aber was noch wichtiger ist: Tesla baut E-Autos, die aussehen wir normale Autos und sich auch so fahren. Für dieses Jahr hatte der Elektrobauer aus Kalifornien eine Mittelklasse-Limousine angekündigt: das Model 3. Rund eine halbe Million Reservierungen liegen laut Firmengründer Elon Musk vor. Ziel war es, ein E-Auto für die Massen zu produzieren und das zu einem erschwinglichen Preis (rund 35.000 US-Dollar). Bis Ende September sollten die ersten 1500 Autos vom Band laufen; bis Weihnachten die Produktion auf 5000 Autos, bis Ende 2018 auf 10.000 Fahrzeuge hochgefahren werden. Die Realität ernüchtert: Im dritten Quartal 2017 wurden 216 Exemplare ausgeliefert.
Konkurrenz kommt neuerdings aus Aachen. Das noch junge Start-up-Unternehmen e.Go plant im zweiten Quartal 2018 mit der Serienproduktion des Kleinwagens Life loszulegen. Ein Kleinbus (Mover) und ein Viertürer (Booster) sollen folgen. Ursprünglich war der Life als minimalistisches Elektroauto gedacht. Nun soll es ihn mit einer Leistung von 20, 40 und 60 kW geben. Die Reichweite beträgt zwischen 100 und 154 Kilometern und das zu Preisen ab 15.900 beziehungsweise 19.900 Euro.
Das größte Problem ist aber nicht die Technik, sondern es sind die Autofahrer selbst. Die meisten haben Bedenken auf Strom umzusteigen. Viele bemängeln die nach wie vor geringen Reichweiten. Sie haben Angst, dass sie es nicht bis zur nächsten Ladesäule schaffen. Fritz Rettberg, Leiter des Kompetenzzentrums für Elektromobilität, Infrastruktur und Netze an der Technischen Universität Dortmund, kann die Sorgen verstehen, aus technischer Sicht seien diese jedoch unbegründet. „Ein E-Auto hat viel mit Gewohnheit zu tun. Die Leute müssen lernen, dass sie mit einer Tankfüllung vielleicht nur noch 150 bis 200 Kilometer weit fahren können.“Für normale Strecken, zum Beispiel zur Arbeit und zurück, sei das in der Regel ausreichend. Die meisten E-Autos würden ohnhin nur für kürzere Fahrten genutzt. Außerdem gebe es in Städten wie Essen, Dortmund, Düsseldorf oder Köln ein gutes Ladenetz. Anders sehe es im ländlichen Raum aus. Da bestehe durch- aus Nachholbedarf. Andererseits hätten die meisten EAuto-Besitzer eine Lademöglichkeit zu Hause und zwar in Form sogenannter Wallboxen. Damit lasse sich das E-Auto schnell und bequem zum Beispiel in der Garage laden.
Doch auch im öffentlichen Raum werde die Ladeinfrastruk- tur immer besser, sagt Rettberg. Die Autokonzerne BMW, Daimler, Ford und Volkswagen wollen mit einem europaweiten Netz an Schnellladestationen Elektroautos zum Durchbruch verhelfen. Bis 2020 sollen Fahrer von E-Fahrzeugen Zugang zu Tausenden solcher Hochleistungsladestationen haben. Auch die Bundesregierung plant in den nächsten Jahren mehr als 12.000 neue Ladepunkte einzurichten. Zusätzlich entstehen Schnelllader an Autobahnraststätten.
Zurzeit gibt es allein in NRW schätzungsweise 1700 öffentlich zugängliche Ladestationen. In Schulnoten ausgedrückt würde Rettberg dem Land eine Zwei minus geben – mit Tendenz nach oben. „In Anbetracht der Tatsache, wie wenige E-Autos zurzeit unter-
wegs sind, reichen die Strom-Tankstellen“, sagt Rettberg.
Doch was passiert, wenn die Zahl steigt und alle an die Steckdose müssen? Nicht die Energiemenge wäre das Problem, sagt Rettberg. Wenn eine Million E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs wären, dann würde sich der Strombedarf dadurch um etwa 0,5 bis ein Prozent im Jahr erhöhen. Das ist nicht wenig, aber machbar, meint Rettberg. Natürlich müsse der Strom aus erneuerbaren Energien stammen, sonst würde das Problem der Emmissionen nur verlagert. Aber das viel größere Problem sei die Verteilung. Angenommen, ein Großteil der Au-
tofahrer würde sein Auto nach der Arbeit laden wollen, dann müssten die lokalen Verteilstationen die Leistung zu einer bestimmten Uhrzeit zur Verfügung stellen. Dazu sind die Netze derzeit aber nicht ausgelegt.
Eine Lösung könnten smarte Ladestationen sein, die so ähnlich funktionieren wie intelligente Stromzähler bei der Waschmaschine. Diese sorgen dafür, dass sich das Gerät nicht etwa einschaltet, wenn alle anderen waschen, sondern wenn der Strom am günstigsten ist, zum Beispiel nachts. Stromanbieter könnten Besitzern von E-Autos flexible Tarife anbieten und dafür belohnen, dass sie tanken, wenn nicht alle andere tanken. Dadurch ließe sich die Ladesituation entschärfen. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Netze wei-
ter auszubauen und gleichzeitig die Strombereitstellung zu limitieren. Dadurch wären mehr Autofahrer in der Lage, ihr Fahrzeug zur selben Zeit an die Steckdose zu hängen.
Ein weiteres K.o.-Kriterium für E-Autos ist der Preis. Der günstigste Golf ist ab 17.850 Euro zu haben. Im Vergleich dazu kostet der E-Golf etwa das Doppelte, nämlich ab 35.900 Euro. Das ist vielen schlichtweg zu teuer. Deshalb fördert die Bundesregierung den Kauf alternativer Antriebstechniken mit bis zu 4000 Euro. Anfangs gingen kaum Anträge ein. Doch die Zahlen haben sich gebessert. Gefördert werde solange, bis der Topf leer ist, längstens jedoch bis Mitte 2019. Waldhelm von Elektromobilität NRW ist optimistisch: „Es existieren bereits mehrere familientaugliche vollelektrische Pkw und der e.GO wird das ideale elektrische Stadtauto für Singles und Paare sein. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass die Menschen keine Angst mehr vor der Technik haben.“