Grüne wollen Dispozins begrenzen
Nach Berechnungen der Stiftung Warentest verlangen deutsche Banken und Sparkassen für das Überziehen des Girokontos bis zu 14,25 Prozent Zinsen. Die Branche begründet dies mit hohen Kosten.
BERLIN/DÜSSELDORF Bei den Zinsen für die Überziehung von Girokonten verlangen die deutschen Banken und Sparkassen nach Einschätzung der Zeitschrift „Finanztest“immer noch unverhältnismäßig viel Geld von ihren Kunden. Bis zu 14,25 Prozent müssten Verbraucher für den Dispokredit zahlen, erklärte Hubertus Primus, Vorstandsmitglied der Stiftung Warentest, die die Zeitschrift herausgibt. Im Schnitt verlangten die Geldhäuser 10,65 Prozent. Das sind zwar 0,66 Prozentpunkte weniger als bei der vorherigen Untersuchung, aber trotzdem halten die Tester wie die Politik die verlangten Preise noch immer für zu hoch. Jeder Prozentpunkt mehr spüle 380 Millionen Euro in die Kassen der Banken, sagte Primus.
Die Banken und Sparkassen räumen ihren Kunden einen Überziehungsrahmen auf dem Girokonto ein, wenn es einen regelmäßigen Geldeingang gibt. Die Höhe der Zinssätze, die sie für diese Dienstleistung verlangt, begründet die Branche mit den entstehenden Bearbeitungskosten. „Die Vorhaltung und Überwachung von Dispositionskrediten ist für die Kreditinstitute aufwändiger als bei anderen Kreditarten, bei denen eine planmäßige Inanspruchnahme und Tilgung zugrunde liegt“, erklärte gestern der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken, der turnusmäßig für die gesamte Kreditwirtschaft spricht. Zudem seien Dispokredite kurzfristig nutzbar und erhöhten somit die finanzielle Flexibilität des Kunden. „Diese kurzfristige Nutzungsmöglichkeit spiegelt sich folglich auch in höheren Zinsen im Vergleich beispielsweise zu Ratenkrediten“, so der Verband.
Die Politik ist wenig überzeugt von den Argumenten der Banken und Sparkassen. In Berlin stießen die hohen Dispozinsen gestern auf scharfe Kritik. „Viele Banken nehmen weiterhin unangemessen hohe Dispozinsen und sind auch nicht transparent“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD). Die große Koalition will die Banken und Sparkassen verpflichten, ihren Kunden Gespräche anzubieten, wenn diese dauerhaft im Dispokredit stecken. Zudem sollen die Geldhäuser die Höhe ihrer Dispozinsen veröffentlichen. Der Vize-Chef der Unionsfraktion, Thomas Strobl (CDU), sprach sich für mehr Aufklärung der Kunden aus. Er halte bei Überziehung des Kontos den Hinweis für hilfreich: „Vorsicht, Sie kommen ins Minus, und dann fallen Zinsen an.“ Die Grünen wollen den Banken schärfere Vorschriften machen. Die Vorsitzende des Verbraucherausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), forderte einen „gesetzlichen Dispozins-Deckel“. „Eine gesetzliche Regelung ist längst überfällig, und Bundesminister Maas muss hier endlich handeln“, sagte Künast unserer Zeitung. Der EZBLeitzins liege bei einem Rekordtief von 0,05 Prozent, betonte Künast: „Da kann es nicht angehen, dass einige Banken noch immer bis zu 14,25 Prozent Zinsen berechnen, wenn ein Dispo in Anspruch genommen wird.“Der Dispozins solle in Zukunft zusammengesetzt sein aus dem Leitzins und einer Summe für die Bearbeitung.
Die große Koalition lehnt eine solche gesetzliche Regelung ab: „Mehr als einen Hinweis und ein Angebot für günstigere Kredite halte ich im freien Wettbewerb nicht für angebracht“, sagte Strobl. Zudem befürchten Experten, dass die Institute bei einer Obergrenze für Dispozinsen im Gegenzug die Kontoführungsgebühren erhöhen könnten.
Wenn Politiker feste Obergrenzen für die Gebühren der Banken verlangen, ist das natürlich populär, weil Volkes Seele angesichts der Preispolitik der Geldwirtschaft regelmäßig kocht. Aber die Argumentation kann nicht im Sinne des Kunden sein, weil eine solche Limitierung jene Institute sogar zu Preisanhebungen verleiten könnte, die bisher unter einer solchen Obergrenze geblieben sind. Ein Gesetz würde jenen, die es schützen soll, womöglich schaden.
Was hilft stattdessen? Die einfache Weisheit: Wer sich von seiner Bank abgezockt fühlt, der sollte sich einen anderen Anbieter suchen. Die Politik kann ihm dadurch helfen, dass sie die Geldbranche zur totalen Transparenz zwingt, am besten im Internet, wo der Vergleich am leichtesten fällt. Den Rest muss der Kunde selbst besorgen. Deutschland hat so viele Banken und Sparkassen – wenn nicht hier der Wettbewerb funktioniert, wo denn dann? So lange die Klientel allerdings zu träge ist, intensiv zu vergleichen und daraus Konsequenzen zu ziehen, so lange der Hang zur Bequemlichkeit noch größer ist als der Ärger über die Preise, darf der Kunde sich nicht wundern, wenn die Banken ihre Preispolitik fortsetzen. Mag die in einigen Fällen noch so unverschämt sein. BERICHT