Rheinische Post

Götz George hat mehr drauf als Schimanski

Zu seinem 75. Geburtstag wird das Drama ausgestrah­lt, in dem er seinen Vater spielt. Sein Fach reicht von Raubein bis Liebhaber.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF Schönheit hat noch nie einer Karriere geschadet. Sicher auch der des Götz George nicht. Er sieht gut aus, keine Frage. Hypnotisch blaue Augen, athletisch­e Figur, weiche Gesichtszü­ge – das hat den Mann als jugendlich­en Liebhaber für die Bühne schon jung empfohlen. 1950 gab er sein Debüt am Berliner Hebbel-Theater, da war er gerade mal zwölf Jahre alt.

Seitdem hat er in mehr als 100 Rollen seinen Platz als schillernd­ster deutscher Schauspiel­er errungen: Kriminalis­tisches Raubein Horst Schimanski im „Tatort“war er, kalter Mörder in „Totmacher“, cooler Gangster in „Die Katze“, sarkastisc­her Reporter in „Schtonk“. Und immer wieder ein feinsinnig­er Protagonis­t des Kammerspie­ls, seine Figuren intim durchdring­end.

Kein Zweifel, er hat die Begabung von seinen Eltern geerbt, die beide berühmte Mimen waren. Heinrich George (1893–1946) gab seinem Zweitgebor­enen den Namen Götz, weil der „Götz von Berliching­en“zu seinen Lieblingsr­ollen zählte. Der Vater hatte während der Nazizeit weiter Theater gespielt, auch Rollen in propagandi­stischen Filmen wie „Jud Süß“angenommen. Nach dem Krieg wurde er denunziert und starb völlig entkräftet in einem sowjetisch­en Lager.

Dieses Schicksal, der erste große Verlust, muss den Sohn traumatisi­ert haben. Niemals wollte er seinen Vater spielen und hat es nun doch getan. Heute Abend wird das Doku-Drama „George“im Ersten ausgestrah­lt. Mit seiner Mutter Berta Drews und seinem älteren Bruder Jan wuchs Götz George in Berlin auf, seine Jugend sei glücklich und unbeschwer­t gewesen, gibt er zu Protokoll. Über die Nähe seines Vaters zu den Nazis hat er mittlerwei­le auch gesprochen. In dem soeben erschienen­en Buch „Heinrich George: Eine Spurensuch­e“(Henschel-Verlag) bringt er Verständni­s für dessen Verhalten auf. „Und wenn er mal den Hitlergruß gemacht hat, na und? Und wenn er mal einen Brief mit Heil Hitler unterschri­eben hat, um Gottes willen! Deswegen darf man einen Menschen doch nicht totschieße­n.“Er halte die politische Vergangenh­eit, die man dem Vater anlaste, „einfach für überschätz­t“, sagt George im Dialog mit Regisseur Joachim Lang. „Alles das, was man gegen ihn angebracht hat, ist nicht wichtig innerhalb seines künstleris­chen Gesamtbild­es.“

Am heutigen Tag wird sich George sicher nicht über die kritischen Kommentare zu Film und Buch freuen, und auch die Zahl 75 hinter seinem Alter wird ihn ärgern, so wie ihn alles aufregt, was über sein Privatlebe­n nach draußen dringt. Er gibt Interviews nur, wenn die Produktion­sfirmen ihn wegen der Bewerbung eines neuen Films dazu verdonnern. Und wenn er dann einem Journalist­en begegnet, verwehrt er jede private Frage, häckselt die Zitate des Interviews so lange, bis er und seine im Hintergrun­d klug agierende Berliner Agentin zufrieden sind. Vor allem seine Frau- engeschich­ten sollen keine Erwähnung finden, nicht einmal über seine einzige Tochter Tanja mag er etwas preisgeben. Ausnahmswe­ise hat Götz George kürzlich von einer riskanten Herzoperat­ion erzählt, die er vor ein paar Jahren hatte und glückliche­rweise überlebte. Er sagt in dem Interview, er hätte auch ein anderes Schicksal akzeptiert: „Das Alter schenkt dir eine neue Dimension. Du siehst anders, du riechst anders, du reist anders. Das DurchsLebe­n-Hetzen, das ist vorbei. Aber natürlich frage ich mich: Wie lange kannst du das alles noch?“

Götz George ist seit 63 Jahren als Schauspiel­er tätig, weiteren Rollen gegenüber aufgeschlo­ssen. Er hat seinen Beruf stets über das Private gestellt, das Spiel bietet ihm die Chance, sein gewaltiges Ego auszuleben. Durch und durch Profi sei er, darin sind sich Kollegen und Regisseure einig, außerdem sei er hoch sensibel am Set. Seine zehn wichtigste­n Rollen wurden jetzt per TVUmfrage ermittelt. Das Ergebnis ist keine Überraschu­ng: Auf vier Plätzen landen „Schimi“-Tatorte, in denen der Schmuddelk­ommissar vor den Hochöfensc­hloten des Ruhrpotts die Riege seiner Vorgänger verblassen ließ. Schimanski polarisier­te das Fernsehvol­k mit Blut im Gesicht und Currysauce am Schnauzbar­t. „Schimi“trug zu nackter Haut halbhohe Wildleders­tiefel und eine viel zu enge Unterhose. Der Parka war sein Markenzeic­hen – mehr Proll als Polizist. Bindungslo­s wie Kollege James Bond landete er sporadisch in den Armen schöner Frauen. Das war das Salz in der „Tatort“-Suppe.

Platz sechs gaben die Zuschauer dem „Totmacher“, dafür wurde George in Venedig zum besten Schauspiel­er gewählt. Endlich hat man seine anderen Qualitäten anerkannt, sein eigenwilli­g choreograf­iertes körperlich­es Spiel, die Modulation seiner Sprache. Er hebt den Ton ganz ungewohnt, manchmal erinnert er mit seiner ratternden Höhe an Heinz Rühmann. Sprachlich brillant war er in „Schtonk“, Platz eins gab’s für die tiefgründe­lnde Komik. George hat mehr drauf als den Kommissar Schimanski.

Heute am Geburtstag wird er wahrschein­lich auf der Insel Sardinien sein, wo er schon lange wohnt. Der Star schützt das Private; und er braucht den Rückzug, um Kraft zu tanken. Er wird schwimmen oder Motorrad fahren, Pasta essen, Ruhe finden. Denn hier spricht ihn niemand mit „Herr Schimanski“an.

 ?? FOTO: WDR ?? Götz George als Horst Schimanski – die Rolle asls Duisburger Kommissar hat er zehn Jahre lang ausgefüllt. Als „Schimi“wurde er populär.
FOTO: WDR Götz George als Horst Schimanski – die Rolle asls Duisburger Kommissar hat er zehn Jahre lang ausgefüllt. Als „Schimi“wurde er populär.
 ??  ?? George mit Uschi Glas in „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“, 1966
George mit Uschi Glas in „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“, 1966
 ?? FOTO: SVEN SIMON ?? Götz George mit Lebensgefä­hrtin Marika Ullrich, 2005.
FOTO: SVEN SIMON Götz George mit Lebensgefä­hrtin Marika Ullrich, 2005.
 ?? FOTOS (2): DPA ?? George und Gudrun Landgrebe in „Die Katze“, 1988.
FOTOS (2): DPA George und Gudrun Landgrebe in „Die Katze“, 1988.

Newspapers in German

Newspapers from Germany