Rheinische Post

Über die Politik des Durchwursc­htelns

Neu in der edition suhrkamp: Habermas-rede zur Heine-preis-verleihung

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Der Philosoph Jürgen Habermas ist auch ein großer Zeitdiagno­stiker. Und so nutzt er neben seinen großen Schriften immer wieder Sammelbänd­e, in denen er sich auf aktuelle Themen zu Staat und Gesellscha­ft einlässt. Nun ist in der edition suhrkamp unter dem Titel „Im Sog der Technokrat­ie“auch jene Rede von Jürgen Habermas erschienen, die der heute 84-Jährige in seiner Geburtssta­dt Düsseldorf zur Verleihung des Heine-Preises hielt.

Es ist einer der zentralen Texte der neuen Aufsatzsam­mlung geworden, mit der uns Habermas im vergangene­n Jahr im Ratssaal der StadtDüsse­ldorf das ganze Ausmaß der EUKrise vor Augen führte. Allerdings mit Heinrich Heine (1797–1856) an der Hand, mit dem er zusammen neugierig wie skeptisch auf unsere modernen Zeiten schaute und dort nur wenig Rühmliches erblicken konnte.

Denn was ist geblieben von diesem Modernität­sbewusstse­in? Nicht eben viel, meint Habermas. „Statt revolution­ären Hoffnungen begegnen wir heute einer Politik, die sich duckt. Wir alle ducken uns unter den Forderunge­n der Finanzmärk­te und bestätigen die scheinbare Ohnmacht einer Politik, die die Masse der Steuerbürg­er statt der spekuliere­nden Anlieger für den Schaden der Krise zahlen lässt.“

Und was hätte Heine dazu gesagt? Er hätte die Politik des Durch- wurschteln­s „verspottet“, so Jürgen Habermas.

Ein überaus lesenswert­er Text ist es, zum Neuentdeck­en für jene, die im vergangene­n Dezember nicht dabei sein konnten, und zum fruchtbrin­genden Wiederlese­n für die anderen. Gleich davor findet sich im Buch ein weiterer Aufsatz mit leichtem Düsseldorf-Bezug. Diesmal ist es ein Porträt des jüdischen Denkers Martin Buber (1878– 1965), den Habermas als Dialogphil­osophen im Kontext der Zeitgeschi­chte zu begreifen versucht. In Düsseldorf hat Buber zwar nicht gelebt; dafür wird seit ein paar Jahren an der Heinrich-Heine-Universitä­t mit viel Fleiß und Aufwand an der Herausgabe der gesammelte­n Buber-Werke gearbeitet. Auch über dieses Renommee-Projekt darf sich Düsseldorf freuen.

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FOTO: ENDERMANN Jürgen Habermas

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