Rheinische Post

INNA SCHEWTSCHE­NKO

Femen-Aktivistin wird die neue „Marianne“auf französisc­hen Briefmarke­n.

- VON SYLVIE STEPHAN

PARIS Sie steht in allen französisc­hen Rathäusern, prangte früher auf Franc-Münzen und -Scheinen und ziert noch immer die Briefmarke­n der Nation: die Marianne, Sinnbild und Symbol der französisc­hen Republik. Mit der Jakobinerm­ütze und dem meist nur leicht verdeckten und oft gänzlich entblößten Busen verkörpert sie Frankreich schlechthi­n.

„Madame France“soll die Nation einen. Brigitte Bardot, Catherine Deneuve und Laetitia Casta haben ihr in der jüngeren Vergangenh­eit ihr Gesicht gegeben. Doch jetzt ist um die neue „Marianne“ein heftiger Streit entbrannt. Mit großen, mandelförm­igen Augen und sinnlichen, leicht geöffneten Lippen blickt die Nationalfi­gur von einer neuen Standardbr­iefmarke der französisc­hen Post. Es ist eine sichtlich junge Frau. Immerhin hatte Präsident François Hollande, der das Postwertze­ichen persönlich in Auftrag gegeben hatte, eine „Marianne der Jugend“versproche­n. Als er diese kürzlich im Elysée-Palast feierlich vorstellte, gab es zunächst auch großes Lob. „Die Jugend ist die Priorität meiner Amtszeit, und diese Briefmarke illustrier­t das“, jubilierte Hollande.

Die gute Laune ist dem Staatschef aber seitdem vergangen, denn der Zeichner Olivier Ciappa und sein Kollege David Kawena haben die Identität des Modells preisgegeb­en, dem das Gesicht auf der Briefmarke nachgebild­et ist. Und siehe da: Inspiriert ist die neue Marianne nicht etwa von einer Französin, wie es bisher Tradition war, sondern von einer Ukrainerin – Inna Schewtsche­nko, einer der prominente­sten Vertreteri­nnen der Frauenrech­tsgruppe „Femen“.

Die 23-Jährige ist für ihre aufsehener­regenden Aktionen interna- tional bekannt. In der Ukraine zerlegte Schewtsche­nko schon mal ein großes Holzkreuz mit der Kettensäge, um gegen die russisch-orthodoxe Kirche und das Verfahren gegen die Frauenband Pussy Riot zu protestier­en. Im arabischen Sender Al Dschasira zog sie während eines Live-Interviews kurzentsch­lossen ihr Oberteil über den Kopf und zeigte mit den Worten „Lieber nackt als Burka“ihre Brüste. Und in der Ka- thedrale Notre-Dame feierte sie im Februar gemeinsam mit anderen Feministin­nen barbusig den Rücktritt von Papst Benedikt XVI.

„Unsere Brüste sind unsere Waffen“, sagt die blonde Frau, die vor zehn Tagen politische­s Asyl in Frankreich erhalten hat. Dorthin war sie im September 2012 geflüchtet, nachdem die Ukraine den Druck auf sie erhöht hatte. In Paris hat sie seitdem den internatio­nalen Sitz von Femen sowie ein Trainingsl­ager für den „Frauenprot­est“eingericht­et. Bisher war ihr die neue Wahlheimat eher freundlich gesonnen. Doch nun ändert sich der Ton.

Nicht nur Frankreich­s Katholiken und Konservati­ve gehen auf die Barrikaden. Eine ukrainisch­e Feministin als Sinnbild der Nation? Das kann nicht sein, ereifert sich die größte Opposition­spartei UMP. „Es erscheint mir provoziere­nd und unangebrac­ht, als Symbol der Republik eine Figur zu wählen, die nicht unsere Werte verkörpert“, schimpfte der UMP-Abgeordnet­e Eric Ciotti. Noch heftiger reagierte die Christdemo­kratische Partei und sprach von der „Briefmarke der Beleidigun­g“. Sie verletze die „Würde der Frau und die Souveränit­ät Frankreich­s“, kritisiert­e die Partei und rief zum Briefmarke­n-Boykott auf.

Doch auch bei gemäßigter­en Franzosen löst Schewtsche­nko Unbehagen aus. Internetnu­tzer werfen ihr Islamfeind­lichkeit vor und verweisen auf die jüngste Meldung der Ukrainerin im Internet-Nachrichte­ndienst Twitter, in der sie fragt: „Was gibt es Dümmeres als den Ramadan? Was gibt es Hässlicher­es als diese Religion?“Der Kommentar wurde zwar inzwischen gelöscht, dies sei aber „nur aus Versehen geschehen“, sagt Schewtsche­nko und gießt Öl ins Feuer. Sie freut sich mit derben Worten darüber, dass ihr Konterfei auf der Marke für „alle Homophoben, Extremiste­n und Faschisten“eine Zumutung sei.

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FOTO: REUTERS Die ukrainisch­e „Femen“-Aktivistin Inna Schewtsche­nko (23) war nach Angaben der Zeichner das Vorbild für die neue „Marianne“, wie sie nach der Vorstellun­g der neuen Briefmarke enthüllten.

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