Rheinische Post

Karlsruher Bluttat war lange geplant

Weil die Wohnung seiner Lebensgefä­hrtin zwangsgerä­umt werden sollte, hat ein 53-Jähriger vier Menschen und sich selbst erschossen. Die Staatsanwa­ltschaft spricht von einem geplanten vierfachen Mord. Die Zwangsräum­ung habe die Existenz des Täters ins Wanke

- VON KONRAD STAMMSCHRÖ­ER

KARLSRUHE Als das Spezialein­satzkomman­do der Polizei die Wohnung in der Karlsruher Nordstadt stürmt, ist es bereits zu spät. Den Beamten bietet sich ein furchtbare­s Bild: Zwei Männer sitzen gefesselt auf dem Sofa, getötet mit einem Kopfschuss. Auf dem Boden liegt ein weiterer Mann, von mehreren Schüssen niedergest­reckt; im Schlafzimm­er liegt eine tote Frau auf dem Bett. Auch der 53-jährige Täter ist tot. Er hat sich selbst gerichtet. Auslöser war die Zwangsräum­ung der Drei-Zimmer-Wohnung seiner Lebensgefä­hrtin.

Auf einem Balkon des Nachbargeb­äudes stehen ein Mann und eine Frau. Obwohl sie nur 30 Meter entfernt wohnen, haben sie von der Tat nichts mitbekomme­n. Wie viele Menschen im Wohnvierte­l mit den ehemaligen Kasernen der USStreitkr­äfte gehen sie zunächst von einem Amoklauf in der nahe gelegenen Marylandsc­hule aus. „Wir mussten die Rollos schließen und haben uns dann im Internet auf dem Laufenden gehalten“, erzählen die beiden verdattert. Gegen Mittag hörten sie einen dumpfen Knall, den sie nicht zuordnen konnten. „Die Leute von Gegenüber? Nein, die kennen wir nicht“, so das Paar. Auch die direkten Nachbarn beschreibe­n die Bewohner der Eigentumsw­ohnung im Kanalweg als „kontaktsch­eue, komische Leute“.

Laut Staatsanwa­ltschaft habe der Täter genau geplant, was er tun wird, wenn die Räumung der Wohnung ansteht. Als der 47 Jahre alte Gerichtsvo­llzieher um 8 Uhr in Begleitung eines Sozialarbe­iters und des Schlüsseld­ienstes an der Tür klingelt, lässt der Arbeitslos­e die Gruppe herein. Dann zwingt er die Männer mit Waffengewa­lt, sich

Der Täter verfügt über ein Waffenarse­nal mit

Handgranat­en

Internet Fotos vom Tatort aus Karlsruhe unter www.rp-online.de/panorama hinzusetze­n. Als sich der Gerichtsvo­llzieher weigert, schießt der Täter ihm zweimal in die Beine. Darauf fordert er den 33 Jahre alten Schlüsseld­ienstmann auf, die anderen zu fesseln. Inzwischen ist auch noch der neue Eigentümer der Wohnung eingetroff­en, der Ende April die Immobilie erworben und die Zwangsräum­ung beantragt hat.

Der Schlosser fesselt auch ihn und versucht danach, sich zu wehren. Daraufhin streckt ihn der Geiselnehm­er mit mehreren Schüssen nieder. Rund 45 Minuten dauert das Drama. Immer wieder geht der Täter in die Küche, trinkt Bier und raucht. Auf die Frage des Sozialarbe­iters, wo seine Partnerin sei, antwortet er, sie liege krank im Bett. Ob die 55-Jährige zu diesem Zeitpunkt schon tot ist, wird untersucht. Die Polizei findet sie später mit einem aufgesetzt­en Brustschus­s.

Um 10 Uhr lässt der Geiselnehm­er den Sozialarbe­iter überrasche­nd frei. Vier Möbelpacke­r eines Umzugsunte­rnehmens, die bei der Zwangsräum­ung das Inventar aus der Wohnung schaffen sollten, werden von dem Sozialarbe­iter gewarnt. Die Männer suchen die nahe gelegene CarloSchmi­dt-Schule auf, wo das DRK eine Betreuungs­station für geschockte Anwohner eingericht­et hat. Der Sozialarbe­iter informiert derweil die Polizei. Das SEK rückt wenig später mit einem Großaufgeb­ot an – alarmiert von der Aussage des Sozialarbe­iters. Zu diesem Zeitpunkt waren die Geiseln und der Täter aber bereits tot.

Der Täter verfügt über ein Waffenarse­nal: eine Übungshand­granate, ein Gewehr mit Magazin, eine Schrotflin­te, zwei Pistolen sowie reichlich Munition. Damit hätte er sich ein „extremes Feuergefec­ht“mit der Polizei liefern können, sagt Kriminaldi­rektor Thomas Rüttler. Woher der Täter die Waffen hatte, wissen die Ermittler nicht – vermutlich aus illegalen Quellen; einen Waffensche­in hatte er nicht.

„Der Gerichtsvo­llzieher konnte mit dem schlimmen Verlauf zu keinem Zeitpunkt rechnen“, sagt Oberstaats­anwalt Gunter Spitz. Er spricht von geplantem Mord in vier Fällen. Die Zwangsräum­ung habe die Existenz desTäters bedroht. Erklären kann das die Tat nicht.

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Das Haus wurde großräumig abgesperrt. Mehrere Forensiker sichteten nach dem Amoklauf in der Karlsruher Nordstadt mit fünf Toten die Spuren.
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Eine Wohnung in diesem Appartemen­tblock in Karlsruher sollte zwangsvers­teigert werden.

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