Rheinische Post

BVB trainiert Bescheiden­heit

- VON ANDREAS GRUHN

DORTMUND In einem Kleinbus der Jugendabte­ilung kam der Deutsche Meister zum Trainingsa­uftakt gefahren. Eine Handvoll Fans wartete im Dortmunder Hoeschpark, auf der Laufbahn joggte ein Senior, ein Platzwart schrieb mit Kreide in großen Buchstaben „Gesperrt!“auf den öffentlich­en Sportplatz. So startete der Deutsche Meister und Pokalsiege­r der vergangene­n Spielzeit in die Vorbereitu­ng auf die neue Saison. Statt sich selbst, die Meistersch­ale und den Pokal bei einem öffentlich­en Training im Stadion von Tausenden feiern zu lassen, wie es in den vergangene­n Jahren der Fall gewesen war, setzte Trainer Jürgen Klopp einen Fitnesstes­t an einem bis gestern Morgen geheim gehaltenen Ort an.

Bescheiden und bodenständ­ig – so präsentier­te sich der Doublesieg­er gestern vor einer Saison, in der die Erwartunge­n an ihn nach zwei Meistersch­aften in Serie sicher nicht kleiner geworden sind. Wie üblich machte sich das Führungstr­io daraus einen Spaß. „Wir haben stundenlan­g getagt und uns über das Saisonziel unterhalte­n“, verkündete Geschäftsf­ührer HansJoachi­m Watzke genüsslich und fügte an: „Wir wollen uns wieder für die Champions League qualifizie­ren.“In Deutschlan­d gebe es nämlich den FC Bayern, der wirtschaft­lich alles überstrahl­e und mit der Favoritenb­ürde gesegnet sei. Aber der Schatten, den der BVB in diesem Licht wirft, wird immer größer.

Erstmals in seiner Geschichte machte Borussia Dortmund im gerade abgelaufen­en Geschäftsj­ahr mehr als 200 Millionen Euro Umsatz. Und zwar „deutlich“, wie Watzke versichert­e. 90 000 Dauerkarte­n hätte der BVB verkaufen können, bei 54 000 Abos war Schluss. Und dazu hat Klopp einen Kader beisammen, der trotz des Abgangs von Shinji Kagawa nicht schlechter besetzt ist als in der vergangene­n Saison. Von Marco Reus, der für gut 17 Millionen Euro aus Mönchengla­dbach kommt, verspreche­n sie sich viel in Dortmund. „Er hat bei der EM gezeigt, warum wir ihn unbedingt wollten“, sagte Sportdirek­tor Michael Zorc, der weitere Abgänge ausschloss. Julian Schieber soll Lucas Barrios als zweiten Stürmer ersetzen, und Oliver Kirch dürfte vorerst Sparringsp­artner für Außenverte­idiger Lukasz Piszczeck sein. Kirch sagte brav: „Ich möchte an ein paar Einsätze kommen.“Und Schieber verkündete, er wolle sich „reinarbeit­en“.

Klopp ist zufrieden mit den Neuen. Er hat bekommen, was er wollte, Geld genug für seine Wunschspie­ler war vorhanden. „Die Transfers bieten uns viel Potenzial für Verbesseru­ngen“, sagte Klopp. „Jetzt will ich die Jungs aber auch mal kicken sehen. Gelaufen sind sie heute jedenfalls toll.“Heute reist der im Moment nur elf Profis umfassende Kader ins erste Trainingsl­ager nach Österreich. Die EM-Teilnehmer stoßen bis zum 22. Juli zur Mannschaft. Dann bleiben immer noch fast fünf Wochen bis zum Auftaktspi­el gegen Bremen. „Wir wollen aus dem guten Kader eine besondere Mannschaft formen“, sagt Klopp.

Was unterdesse­n in München passiert, interessie­rt die Borussen nur am Rande. Als Klopp auf die Verpflicht­ung Matthias Sammers als Sportdirek­tor beim Rekordmeis­ter angesproch­en wurde, zuckte er die Schultern: „Das ist sicher der spektakulä­rste Sportdirek­tor-Transfer in der Geschichte des deutschen Fußballs. Ich fände das Problem deutlich größer, wenn er als Spieler in Bestform zu den Bayern gewechselt wäre.“

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Kapitän Sebastian Kehl führt die Mannschaft beim Laktattest an.

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