Frankreich braucht 40 Milliarden
PARIS In Frankreich ist der mit Spannung erwartete Bericht des französischen Rechnungshofs vorgelegt worden – und er lässt am Regierungssitz Hôtel Matignon die Alarmglocken läuten. Bei ihrem Kassensturz haben die Experten ein Milliardenloch im französischen Haushalt ausgemacht. Damit stehen Präsident François Hollande und seine neue sozialistische Regierung vor der schweren Aufgabe, ihre Wahlkampfversprechen nach mehr Wachstum und Arbeitsplätzen mit drastischen Sparanstrengungen in Einklang zu bringen.
Mit 250 Seiten schlechter Nachrichten unter dem Arm war der Präsident des Rechnungshofs, Didier Migaud, am Morgen bei Premier Jean-Marc Ayrault vorstellig geworden. Dem Bericht zufolge fehlen im Haushalt allein in diesem Jahr sechs bis zehn Milliarden Euro. Grund dafür seien nicht nur niedrigere Steuereinnahmen, sondern auch eine Reihe bislang unentdeckter und nicht gegenfinanzierter Staatsausgaben der Vorgängerregierung in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro sowie die schleppende Konjunktur: In diesem Jahr erwartet der Rechnungshof nur noch 0,4 statt 0,7 Prozent Wachstum. Um das Defizit in diesem Jahr wie versprochen auf 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken, seien „noch nie dagewesene“Sparanstrengungen nötig, sagte Migaud. 2013 werde der Fehlbetrag 33 Milliarden Euro ausmachen, sofern die Regierung an ihrem Ziel festhält, zum allgemeinen Defizitziel von drei Prozent zurückzukehren. Als Maßnahmen empfehlen die Experten zur Hälfte Einschnitte bei den Staatsausgaben und zur anderen Hälfte eine Erhö- Nach Angaben des französischen Rechnungshofes muss Präsident François
(l.) künftig deutlich mehr sparen. Gestern begrüßte er in Paris Bundespräsident Joachim Gauck. hung der Sozialsteuer CSG sowie der Mehrwertsteuer, wie es die Vorgängerregierung vorgesehen hatte.
Angesichts der Euro-Krise haben Hollande und sein Premier keine andere Wahl, als von ihrem versprochenen ausgabefreudigen Kurs abzuweichen. Heute will Premier Ayrault per Regierungserklärung den Kurs abstecken, morgen soll der Ministerrat den Nachtragshaushalt für 2012 auf den Weg bringen. Dann sollen bereits Maßnahmen zur Sanierung der Staatsfinanzen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro beschlossen werden, wie die Anhebung der Vermögenssteuer, neue Abgaben für Banken sowie die Abschaffung von Steuerschlupflöchern.
Erste Weichenstellungen hatte die Regierung schon vergangene Woche angedeutet. In einem Brief wies Premierminister Ayrault seine Ministerien an, die laufenden Betriebskosten im kommenden Jahr um sieben Prozent und in den folgenden zwei Jahren um jeweils vier Prozent zu kürzen. Mit Ausnahme des Bildungs- und Justizbereichs soll jedes Ministerium bis 2015 die Zahl der Beschäftigten um jährlich 2,5 Prozent verringern.