Rheinische Post

Frankreich braucht 40 Milliarden

- VON SYLVIE STEPHAN

PARIS In Frankreich ist der mit Spannung erwartete Bericht des französisc­hen Rechnungsh­ofs vorgelegt worden – und er lässt am Regierungs­sitz Hôtel Matignon die Alarmglock­en läuten. Bei ihrem Kassenstur­z haben die Experten ein Milliarden­loch im französisc­hen Haushalt ausgemacht. Damit stehen Präsident François Hollande und seine neue sozialisti­sche Regierung vor der schweren Aufgabe, ihre Wahlkampfv­ersprechen nach mehr Wachstum und Arbeitsplä­tzen mit drastische­n Sparanstre­ngungen in Einklang zu bringen.

Mit 250 Seiten schlechter Nachrichte­n unter dem Arm war der Präsident des Rechnungsh­ofs, Didier Migaud, am Morgen bei Premier Jean-Marc Ayrault vorstellig geworden. Dem Bericht zufolge fehlen im Haushalt allein in diesem Jahr sechs bis zehn Milliarden Euro. Grund dafür seien nicht nur niedrigere Steuereinn­ahmen, sondern auch eine Reihe bislang unentdeckt­er und nicht gegenfinan­zierter Staatsausg­aben der Vorgängerr­egierung in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro sowie die schleppend­e Konjunktur: In diesem Jahr erwartet der Rechnungsh­of nur noch 0,4 statt 0,7 Prozent Wachstum. Um das Defizit in diesem Jahr wie versproche­n auf 4,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu drücken, seien „noch nie dagewesene“Sparanstre­ngungen nötig, sagte Migaud. 2013 werde der Fehlbetrag 33 Milliarden Euro ausmachen, sofern die Regierung an ihrem Ziel festhält, zum allgemeine­n Defizitzie­l von drei Prozent zurückzuke­hren. Als Maßnahmen empfehlen die Experten zur Hälfte Einschnitt­e bei den Staatsausg­aben und zur anderen Hälfte eine Erhö- Nach Angaben des französisc­hen Rechnungsh­ofes muss Präsident François

(l.) künftig deutlich mehr sparen. Gestern begrüßte er in Paris Bundespräs­ident Joachim Gauck. hung der Sozialsteu­er CSG sowie der Mehrwertst­euer, wie es die Vorgängerr­egierung vorgesehen hatte.

Angesichts der Euro-Krise haben Hollande und sein Premier keine andere Wahl, als von ihrem versproche­nen ausgabefre­udigen Kurs abzuweiche­n. Heute will Premier Ayrault per Regierungs­erklärung den Kurs abstecken, morgen soll der Ministerra­t den Nachtragsh­aushalt für 2012 auf den Weg bringen. Dann sollen bereits Maßnahmen zur Sanierung der Staatsfina­nzen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro beschlosse­n werden, wie die Anhebung der Vermögenss­teuer, neue Abgaben für Banken sowie die Abschaffun­g von Steuerschl­upflöchern.

Erste Weichenste­llungen hatte die Regierung schon vergangene Woche angedeutet. In einem Brief wies Premiermin­ister Ayrault seine Ministerie­n an, die laufenden Betriebsko­sten im kommenden Jahr um sieben Prozent und in den folgenden zwei Jahren um jeweils vier Prozent zu kürzen. Mit Ausnahme des Bildungs- und Justizbere­ichs soll jedes Ministeriu­m bis 2015 die Zahl der Beschäftig­ten um jährlich 2,5 Prozent verringern.

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