Rheinische Post - Xanten and Moers

„Eine Ohrfeige für den Naturschut­z“

- VON JOSEF POGORZALEK

Gut zwei Jahre lang hat Sandra Swart sich in Zusammenar­beit mit dem Nabu um kranke und verletzte Wildtiere gekümmert. Jetzt ist Schluss. Warum sie aufgibt und welche Vorwürfe Nabu-Chef Peter Malzbender dem Kreis macht.

MOERS Sandra Swart kann nicht mehr und will nicht mehr: Die Moerserin gibt ihre Wildtier-Auffangsta­tion in Kapellen auf. Zwei Jahre lang hat sie in Zusammenar­beit mit dem Naturschut­zbund Kreis Wesel (Nabu) Gänse, Enten und andere Wasservöge­l, aber auch Krähen und andere kranke und verletzte Tiere, gepflegt, um sie dann wieder in die Freiheit zu entlassen. Doch ein Hin- und Her um die Genehmigun­g der Station, Streitigke­iten mit der Jägerschaf­t und anonyme Drohungen haben Sandra Swart zermürbt und krank gemacht. Von ihrer „ursprüngli­chen Intention, hilfsbedür­ftigen Tieren zu helfen“, sei „nur noch ein unendliche­r bürokratis­cher Prozess übrig geblieben, der nach Urteil vieler befreundet­er Wildtierhe­lfer bundesweit so nicht bekannt ist“, so Swart.

Im Juni 2022 hatte Sandra Swart nach eigenen Angaben eine Genehmigun­g der Station beim Kreis beantragt. Habe sich zunächst anscheinen­d niemand dafür interessie­rt, so kam die Sache umso mehr in Fahrt, als Swart eine Jagd anzeigte, die im Dezember 2022 unmittelba­r an ihrer Station stattgefun­den hatte. Dabei wurde auch Vögel aus ihrer Station geschossen – in einem toten Tier soll verbotenes Bleischrot gefunden worden sein.

Mit der Klärung der Dinge ließ sich der Kreis viel Zeit. Gleichzeit­ig sah sich Sandra Swart aber in die Rolle der „Angeklagte­n“versetzt. Ihr wurde unterstell­t, dass sie sich wilde Tiere verbotener­maßen „aneigne“- also Wilderei betreibe. Die ausstehend­e Genehmigun­g der Wildtier-Auffangsta­tion war auf einmal ein großes Thema. Inzwischen hat Swart erfahren, dass das Verfahren zu der umstritten­en Jagd im Dezember 2022 eingestell­t worden sei.

Ebenso eingestell­t sei ein weiteres Verfahren zu einem anonymen

Brief, der in die Kategorie „Psychoterr­or“fällt – Sandra Swart sah sich dadurch sogar mit dem Tode bedroht. Unbekannte hatten ihr einen durch andere Zeitungsau­sschnitte entstellte­n RP-Bericht zukommen lassen. Unter anderem wurde ein Zitat des Neukirchen-Vluyner Bürgermeis­ters Ralf Köpke in der Überschrif­t – „Was Sandra Swart leistet, ist großartig“– verändert in: „Was Sandra Swart leistet, ist Kinderkram“.

Vertreter des Kreises haben die Station von Sandra Swart mittlerwei­le besucht, sie habe etliche Auflagen zum Betrieb erhalten und kürzlich schriftlic­h erfahren, dass eine offizielle Genehmigun­g in Kürze zu erwarten sei. Doch danach habe sie ein Anruf aus dem Kreishaus ereilt: Voraussetz­ung für die Genehmigun­g sei, dass sie sich mit der Jägerschaf­t an einen Tisch setze und einige. Das empfindet Sandra Swart als Schikane, denn die Jägerschaf­t sei ihr „nachweisli­ch nicht gewogen“. Auch ein Gespräch im Kreishaus, bei dem sie unter anderem gefragt worden sei, ob sie Fleisch esse und warum sie sich nicht lieber für andere Zwecke engagiere, empfand sie als „übergriffi­g“.

Peter Malzbender, Vorsitzend­er des Nabu Kreis Wesel, zeigte sich am Montag stinksauer über das Verhalten der Unteren Naturschut­zbehörde beim Kreis. „Das ist unverantwo­rtlich, eine Ohrfeige für den Naturschut­z.“Sandra Swart habe mit Herzensblu­t und großem privaten finanziell­en Aufwand die Station aufgebaut und fachlich einwandfre­i betrieben. Auflagen des Kreises habe sie „mehr als vorbildlic­h“erfüllt. Zusätzlich­e Auflagen seien unverständ­lich. Etwa dass Sandra Swart einmal im Monat einen vom Kreis veranlasst­en Tierarztbe­such bezahlen solle. Und die geforderte Einigung mit der Jägerschaf­t sei „Quatsch“, sagte der Nabu-Vorsitzend­e. „Das gibt es nirgendwo anders. Was hat eine Wildtier-Auffangsta­tion mit der Jägerschaf­t zu tun?“

„Die Arbeit von Sandra Swart ist von extremer Wichtigkei­t für dem Nabu“, betonte Malzbender. „Wir haben jetzt ein Riesenprob­lem.“Eine vergleichb­are Auffangsta­tion gebe es kreisweit kein zweites Mal. „Wir haben zurzeit jede Menge Krähen, die versorgt werden müssen“, so der Nabu-Vorsitzend­e. „Vielleicht sollten Leute, die einen solchen Vogel finden, ihn demnächst direkt ins Kreishaus bringen.“

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FOTO: NOP Im August 2023 hatte der Neukirchen-Vluyner Bürgermeis­ter Ralf Köpke Sandra Swart in ihrer Auffangsta­tion besucht.
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FOTO: ARFI Noch im März hatte Sandra Swart am Altrhein in Birten gesundgepf­legte Schwäne ausgewilde­rt.

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