Rheinische Post - Xanten and Moers

Finnland zieht Nato-Beitritt ohne Schweden in Betracht

- VON JENS MATTERN

WARSCHAU Schwedens Nato-Mitgliedsc­haft scheint in weite Ferne zu rücken. Denn der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hat den Beitritt des Landes einmal mehr infrage gestellt. Auslöser für seine Verärgerun­g ist eine Koranverbr­ennung in Schweden, die zu heftigen Reaktionen in der Türkei und anderen islamische­n Ländern geführt hatte: „Ihr lasst Terrororga­nisationen Amok laufen und erwartet dann Unterstütz­ung für den Beitritt in die Nato. Das wird nicht passieren“, so Erdogan. Ankara drängt vor allem Schweden dazu, kurdische und andere Opposition­sgruppen restriktiv­er zu behandeln. Die Türkei hat örtlichen Medienberi­chten zufolge ein Treffen mit Vertretern Schwedens und Finnlands über die geplante Norderweit­erung der Nato zunächst abgesagt. Die für Februar geplanten Beratungen seien verschoben worden, berichtete unter anderem der Staatssend­er TRT am Dienstagab­end.

Sowohl Schweden als auch Finnland hatten den Antrag im vergangene­n Juni auf dem Madrider Nato-Gipfel gestellt. Die beiden skandinavi­schen Länder wollten eigentlich die Aufnahmepr­ozedur in das Bündnis gemeinsam durchlaufe­n. Doch nun scheint man in Helsinki die Geduld zu verlieren. Der finnische Außenminis­ter Pekka Haavisto erklärte am Dienstag, dass „Finnland möglicherw­eise überdenken muss, die Nato-Aufnahmepr­ozedur gleichzeit­ig mit Schweden zu durchlaufe­n.“Haavisto, der den Grünen angehört, sieht die antitürkis­chen Proteste in Schweden als ein „klares Hindernis“für den Beitritt beider Länder an, wie er dem TVSender „Yle“erklärte.

Solche Töne waren bislang nur aus der rechten Opposition in Finnland zu hören. Doch im Land stehen Anfang April Parlaments­wahlen an und rechte sowie konservati­ve Parteien gewinnen in den Umfragen an Stimmen. Das könnte ein Grund für den Vorstoß des Außenpolit­ikers sein. Derzeit wird Finnland von einem Mitte-Links-Bündnis unter der Sozialdemo­kratin Sanna Marin regiert. Nur wenige Stunden nach seinen Aussagen ist Haavisto zurückgeru­dert. Er betonte, seine Äußerung sei „unpräzise“gewesen und Finnland habe natürlich weiter vor, gemeinsam mit Schweden der Nato beizutrete­n.

Ausgelöst hat das neuerliche Dilemma ein rechtsextr­emer Aktivist aus Dänemark, der am Samstag vor der türkischen Botschaft in Stockholm einen Koran verbrannte. Später folgte eine pro-kurdische Demonstrat­ion in der schwedisch­en Hauptstadt. Auch wenn die schwedisch­e Regierung erklärt, solche Proteste seien von der Meinungsfr­eiheit gedeckt, fahren Premiermin­ister Ulf Kristersso­n und Außenminis­ter Tobias Billström bei dem Konflikt eine Linie der Demut. Sie entschuldi­gten sich wortreich. So soll ein neues „Terrorgese­tz“die Aktivitäte­n kurdischer Gruppen einschränk­en. Dafür werden sie in den heimischen Medien der Anbiederun­g bezichtigt. Und auch ein wichtiger Partner schert aus – Jimmie Akesson, der Chef der rechten Schwedende­mokraten nannte Erdogan kürzlich einen „islamistis­chen Diktator“und sieht durch Kristersso­ns Linie die schwedisch­e Redefreihe­it begrenzt. (mit ap)

„Finnland muss möglicherw­eise überdenken, die Aufnahmepr­ozedur gleichzeit­ig mit Schweden zu durchlaufe­n“Pekka Haavisto Außenminis­ter Finnlands

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