Rheinische Post - Xanten and Moers
Was Schützen zur Frauen-Frage sagen
Deutschlandweit geht es in Schützenkreisen darum, ob und wie Frauen am Brauchtum teilhaben sollen. Unter anderem kann der Status der Gemeinnützigkeit auf dem Spiel stehen. Was Vereine im Kreis Wesel sagen.
KREIS WESEL Wenn von Flintenweibern die Rede ist, dann geschieht das meist mit despektierlichem Unterton. In brauner Vorzeit galt die Bezeichnung sowjetischen Soldatinnen. Feministinnen wurden und werden gern so tituliert. Überhaupt jede weibliche Person, die für Gleichberechtigung streitet. Dass es Flintenweiber im Sinne von Kriegerinnen oder (mit)kämpfenden Frauen historisch seit Urzeiten gibt, ist wenig bekannt und wäre deshalb näherer Betrachtung wert. Ob dies dann die aktuelle Diskussion über Frauen in Schützenvereinen obsolet erscheinen ließe? Eher nicht. Da geht es für manche um die Verteidigung letzter Männerbastionen. Für andere parallel auch um den Erhalt von Frauenzirkeln. Und es geht um Geld.
„Mehr als 20 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen“Ferdi Breuer
Präsident des Bürger-Schützen-Vereins Wesel von 1845 in der Tradition der Weseler Bürgerwehr von 1241
Die Weigerung, Frauen aufzunehmen, kann für Vereine mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit einhergehen. 2017 traf dies eine Freimaurerloge, „da sie Frauen ohne sachlich zwingenden Grund von der Mitgliedschaft ausschließt“. Dies befand der Bundesfinanzhof und erklärte damals, das Urteil könne sich auch auf Vereine auswirken, die „Männer oder Frauen ohne sachlichen Grund von der Mitgliedschaft ausschließen“. Zurzeit schaut alles auf Neuss.
Der dortige Bürger-SchützenVerein hat sich im Dezember gegen eine passive Mitgliedschaft für Frauen entschieden – eine aktive stand gar nicht zur Wahl. Neussern mögen steuerliche Vorteile durch den Status der Gemeinnützigkeit schnurzpiepegal sein, vielen anderen Vereinen ist es das nicht. Ein Beispiel kommt aus Schermbeck.
Der Schützenverein Bricht ist seit 1772 eine feste Größe im Ort und hat etwa 170 Mitglieder. Auf der Jahreshauptversammlung ging es jetzt auch um eine Satzungsänderung zur Lösung der Frauen-Frage. Von 34 anwesenden waren 20 für die Vollmitgliedschaft. Der Rest enthielt sich, Gegenstimmen gab es keine. „Man sollte sich der Moderne öffnen“, sagt Schriftführer Pascal Wefelnberg im Gespräch mit unserer Redaktion.
Frauen gebe es zwar schon länger als Passive im Verein. Auch schießend. Jetzt aber sollen sie die aktive Mitgliedschaft erhalten, Vorstandsämter bekleiden und die Königswürde erringen können. Die Änderung der Satzung des SV Bricht ist laut Wefelnberg somit in Arbeit, die neue soll 2024 in Kraft treten.
Um ein Vielfaches größer als der SV Bricht ist der Bürger-SchützenVerein Wesel, 1845 gegründet in der Tradition der Weseler Bürgerwehr von 1241. „Mehr als 20 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen“, sagt Präsident Ferdi Breuer, der sich recht gelassen gibt. In der Satzung des Vereins gebe es jedenfalls keine Einschränkungen, dass nur Männer Mitglieder sein dürften.
Grundsätzlich sagt Breuer, dass es erste Urteile gebe, aber man im
BSV abwarten wolle, wie sich die Rechtssprechung entwickele. „Das ist wahrscheinlich von Juristen nicht zu Ende gedacht“, betont der Schützen-Präsident zu den Folgen für Strukturen, die „über Jahrhunderte gewachsen“seien. Geradezu absurd wäre es, einen Frauenchor zur Aufnahme von Männern zu zwingen. „Das geht einfach nicht“, findet Breuer.
Auf Wesels linker Rheinseite ist die Frauen-Frage noch nicht von großer Bedeutung. Gleichwohl, sagt Kai Halswick, Präsident der St.-PetriJunggesellen-Schützenbruderschaft Büderich von 1450: „Wenn das ein größeres Thema wird, werden wir uns damit befassen müssen.“
Überhaupt keine Probleme erwartet die gut 500 Mitglieder starke Schützengemeinschaft Bislich. In ihr sind Frauen längst aktiv am Brauchtum beteiligt und zuweilen auch bereit, als Titelaspirantinnen auf den Vogel anzulegen. Eine eigene Formation bilden sie laut Präsident Andreas Michelbrink nicht. Die Damen marschieren in den verschiedenen Kompanien mit. „Wir sind da wirklich offen“, sagt Michelbrink, der sich nicht erinnern kann, seit wann die Bislicher SG auch weibliche Mitglieder in ihren Reihen hat.
Besonderes Augenmerk verdient schon wegen seines Namens der Männerschützenverein Hamminkeln von 1753. Unter den gut 320 Mitgliedern gibt es keine Frauen, berichtet Präsident Udo Berning. Eine Damenabteilung gibt es allerdings in dem Zweig der Sportschützen „Admiral von Lans“Hamminkeln.
Für den Männerschützenverein Hamminkeln stellt Berning fest, dass man sich zwar mit dem Thema beschäftigen müsse, es aber derzeit keinen Druck gebe. Jedenfalls habe es keine Anfragen oder
Anträge gegeben. Einen Schützenverein ohne Gemeinnützigkeit kann er sich aber kaum vorstellen. Den Verlust der steuerlichen Vorteile bezeichnet der Präsident als „existenzbedrohend“.
Gleich in der Hamminkelner Nachbarschaft, ein paar Meter hinter der Grenze zum Kreis Kleve, stellt sich die Frauen-Frage längst nicht mehr. Schon zweimal haben treffsichere Frauen in Haffen den Thron erobert. 2012 ereignete sich das Novum in der Historie des Bundes der deutschen Schützenbruderschaften, dass erstmals zwei Frauen das Königspaar bildeten. Margret Derksen regierte zusammen mit ihrer Lebenspartnerin Manuela Hiller die St.-Lambertus-Schützenbruderschaft von 1796. 2014 gelang Anke Schudlich ebenfalls in Haffen der Erfolg an der Vogelstange. Sie holte sich damals Eugen Stockmann als König an ihre Seite.