Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Geheimnisse des Nikolausklosters
Gutachterinnen des LVR haben Erstaunliches über die 600 Jahre alte Anlage in Jüchen entdeckt und erstmals offengelegt.
JÜCHEN Nur in Legenden und mit einer knappen Eintragung in der Denkmalliste fand das Nikolauskloster bislang Erwähnung. „Da muss es mehr zu entdecken geben!“, vermutete Klosterleiter Pater Andreas Petith. Tatsächlich: Zum ersten Mal in der 600-jährigen Geschichte der Anlage, die heute vom OblatenOrden als offenes Kloster geführt wird, ist deren Bedeutung jetzt beleuchtet worden. Auf eine Sensation sind dabei die Gutachterinnen des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), Nadja Fröhlich und Kerstin Walter, gestoßen. Sie sagen: „Das Nikolauskloster gilt als das bedeutendste Kloster der FranziskanerTerziarier am Niederrhein.“Es vermittele in seiner schlichten, aber repräsentativen Gestaltung einen Eindruck der barocken Epoche am Niederrhein.
Bis dahin war nur die alte Klosterlegende übermittelt, die Pater Andreas auf dem Dachboden gefunden hatte. In der Schrift wurde das Nikolauskloster als „eine Schlangengrube“beschrieben. Es sollen dereinst Unmengen von giftigen Schlangen aus den Fugen der Gemäuer gekrochen sein. Das war die Strafe für das „Lotterleben“der damaligen Mönche, die sich allzu sehr dem Weltlichen zugewandt haben sollen. Als die Franziskaner jedoch wieder beteten und arbeiteten („ora et labora“), sollen die Schlangen urplötzlich verschwunden sein. Solcher Legende konnten die LVR-Expertinnen jetzt aber fundierte Fakten über das Nikolauskloster entgegenhalten.
Die Klostergebäude seien aus architekturhistorischen Gründen erhaltenswert, da es sich um umfänglich authentisch erhaltene Bauten des Barock handle. Das Nikolauskloster hat unbeschädigt die Säkularisation und den Zweiten Weltkrieg überstanden. Der Baukörper und eine Vielzahl der historischen Ausstattungselemente sind erhalten geblieben. Raritäten wie die längste „Kölner Decke“im Rheinland, einzigartige Eisengussfliesen, in alter Strohpuppentechnik gebaute Dachstühle und viele Details mehr haben die Gutachterinnen begeistert. Sie schreiben: „Die Gesamtanlage zeugt noch heute von den ästhetischen Vorstellungen und architektonischen Detaillösungen des Barock und der Jahrhundertwende. Darüber hinaus sind die barocken Dachstühle der Klostergebäude erhalten – seltene und aussagekräftige Zeugnisse für die hohe Zimmermannskunst, die insbesondere im Barock zu einer neuen Blüte kam.“
Als erhaltenswert gilt auch der Wirtschaftshof. Er diente früher den Mönchen zur Selbstversorgung und ist heute Teil eines regionalen Obstgutes. Die Anlage habe einen besonderen Aussagewert für den Wandel der Agrarproduktion im 19. Jahrhundert. Der Wirtschaftshof des Klosters sei von der Fassade bis zur Bauweise und den original erhaltenen Materialien eine regelrechte Entdeckung, heißt es im Gutachten.
Sogar als Gefängnis soll das Kloster gedient haben, als es in der napoleonischen Zeit zu säkularen Zwecken genutzt wurde. Vergittert sind etliche Fenster bis heute, auch wenn Türen und Tore des Klosters mittlerweile allen und immer offen stehen. Die Wiedereröffnung als Kloster hatte Schlossbesitzer Joseph Graf zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773– 1861) betrieben, um auch die Familiengruft in der Klosterkirche einrichten zu können. Außerdem ließ der als Botaniker bekannte Graf die Parkanlagen seines Schlosses und des Nikolausklosters nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten gestalten. Dazu gehört bis heute auch eine als Naturdenkmal geschützte Esskastanienallee.
Als „Oase im Rhein-Kreis Neuss“ ist das Nikolauskloster denn auch ein Anziehungspunkt für Ausflüge, Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche, Seminare, kirchliche Feiern. Allein zu den Outdoor-Messen auf der Klosterwiese kommen bis zu 800 Besucher an einem Feiertag. Die fünf Oblatenpatres und -brüder im Nikolauskloster sind für ihre weltzugewandte, bodenständige Seelsorge und Gastfreundlichkeit bekannt. Sie führen gemeinsam mit etwa 70 ehrenamtlichen Helfern aus der Region das wertvolle Denkmal damit perspektivisch auch in die Zukunft.
Das Gutachten des LVR hat für die Oblaten einen ganz konkreten Zweck. Denn es belegt die Wichtigkeit, das Kloster zu erhalten – auch für jetzt anstehende Zuschussanträge. Große Teile der Anlage müssen dringend restauriert werden, die Oblaten erhalten aber keine Zuwendungen aus Kirchensteuern. Deshalb haben sie einen Förderverein gegründet und hoffen auf weitere Mittel aus Denkmalschutzprogrammen.
„Die Anlage zeugt von den ästhetischen Vorstellungen und architektonischen Detaillösungen des Barock“aus dem LVR-Gutachten