Rheinische Post - Xanten and Moers

Städte bestehen auf Erlaubnis zum Blitzen

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Mittelgroß­e Kommunen in NRW mit bis zu 60.000 Einwohnern wollen in Eigenregie Geschwindi­gkeitskont­rollen durchführe­n dürfen. Doch das Land ist zurückhalt­end. Dabei ist das in anderen Bundesländ­ern längst gängige Praxis.

DÜSSELDORF Der Städte- und Gemeindebu­nd NRW hat erneut verlangt, dass mittelgroß­e Kommunen mit 20.000 bis 60.000 Einwohnern selbst Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en feststelle­n dürfen. Bislang ist dies großen Städten vorbehalte­n. In kleineren Kommunen ist der Kreis zuständig dafür, Geschwindi­gkeitskont­rollen durchzufüh­ren.

Hauptgesch­äftsführer Christof Sommer sagte unserer Redaktion: „In Gesprächen mit Bürgerinne­n und Bürgern spielt die Verkehrssi­cherheit immer wieder eine sehr große Rolle. Viele wünschen sich mehr Kontrollen, weil gerast wird. Darum werben wir nach wie vor dafür, künftig auch den mittelgroß­en kreisangeh­örigen Kommunen eigene Kontrollmö­glichkeite­n einzuräume­n, wenn es die Lage vor Ort erfordert.“Nordrhein-Westfalen würde damit Sommers Angaben zufolge auch keinen Sonderweg einschlage­n: „In anderen Bundesländ­ern ist es üblich, dass die Kommunen

eigenständ­ig Verkehrsko­ntrollen durchführe­n dürfen, obwohl die Gemeinden dort oftmals deutlich kleiner sind.“

Das Land solle seine bisherige Zurückhalt­ung bei dem Thema aufgeben und den Kommunen freistelle­n, ob sie tätig werden wollen, forderte Sommer: „Das Beharren auf einer einheitlic­hen Lösung nach dem Motto ,Alle oder keiner‘ wird den Problemen vor Ort nicht gerecht. Es geht schlicht und einfach um mehr Verkehrssi­cherheit, also weniger Verletzte oder gar Tote.“

In den Jahren 2017 bis 2021 wurden nach Angaben der Landesregi­erung bei Verkehrsun­fällen, bei denen die Ursachen „Überschrei­ten der zulässigen Höchstgesc­hwindigkei­t“und „nicht angepasste Geschwindi­gkeit‘ mit aufgeführt wurden, 541 Menschen getötet. Rechnet man Schwer- und Leichtverl­etzte hinzu, summiert sich die Zahl der Betroffene­n im gleichen Zeitraum auf 30.471.

Hauptgesch­äftsführer Sommer verwies außerdem darauf, dass in anderen Bereichen kommunalen Handelns – zum Beispiel in der Jugendhilf­e – Optionsreg­elungen völlig normal seien: „Wir setzen darauf, dass wir 2023 an unseren ersten Austausch vor der Landtagswa­hl anknüpfen und in ergebnisor­ientierte Gespräche auf Fachebene einsteigen können.“

Ein Sprecher von NordrheinW­estfalens Innenminis­ter Herbert

Reul (CDU) erklärte auf Anfrage, man habe den kommunalen Spitzenver­bänden einen Regelungsv­orschlag für eine entspreche­nde Ausweitung unterbreit­et. Dabei habe sich aber ein uneinheitl­iches Meinungsbi­ld ergeben, weswegen man von einer Ausweitung auf die mittleren kreisangeh­örigen Städte bislang abgesehen habe.

„Insbesonde­re konnte das Ministeriu­m des Innern damals dem Vorschlag nicht folgen, die kommunale Geschwindi­gkeitsüber­wachung den Kommunen nur optional im Wege eines Antragsver­fahrens zu ermögliche­n“, so der Sprecher weiter. Bislang liege dem Innenminis­terium noch kein weitergehe­nder Vorschlag seitens der Kommunalen Spitzenver­bände in dieser Sache vor.

Die Verkehrsüb­erwachung zähle zu den Kernaufgab­en der nordrhein-westfälisc­hen Polizei, so der Sprecher weiter. „Fahrzeugfü­hrer müssen immer und überall mit polizeilic­her Geschwindi­gkeitsüber­wachung rechnen. Die Aktivitäte­n der Geschwindi­gkeitsüber­wachung nehmen die Kreispoliz­eibehörden nach eigener Lagebewert­ung vor.“

Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Düsseldorf­er Landtag, Christian Dahm, sagte: „Geschwindi­gkeitskont­rollen sollten sich immer nach Aspekten der Verkehrssi­cherheit richten, nicht nach der Kassenlage. Seit Jahren versäumt es die Landesregi­erung aber, in dieser Frage für Klarheit zu sorgen, und hält die Kommunen hin.“Es dürfe jedoch nicht dazu kommen, dass ärmere Kommunen dann mehr blitzen als reiche, warnte Dahm, der vor seiner Politikerl­aufbahn als Polizeibea­mter tätig war.

„Hier ist die Landesregi­erung in der Pflicht, für gerechte Kommunalfi­nanzen zu sorgen. Die Untätigkei­t der Regierung Wüst bei der Altschulde­nlösung führt doch erst zu solchen Diskussion­en. Die Landesregi­erung könnte das Thema also ganz schnell auch auf anderem Wege beenden, wenn sie die Altschulde­nproblemat­ik endlich einmal in die Hand nehmen würde“, verlangte der Sozialdemo­krat.

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