Rheinische Post - Xanten and Moers
Städte bestehen auf Erlaubnis zum Blitzen
Mittelgroße Kommunen in NRW mit bis zu 60.000 Einwohnern wollen in Eigenregie Geschwindigkeitskontrollen durchführen dürfen. Doch das Land ist zurückhaltend. Dabei ist das in anderen Bundesländern längst gängige Praxis.
DÜSSELDORF Der Städte- und Gemeindebund NRW hat erneut verlangt, dass mittelgroße Kommunen mit 20.000 bis 60.000 Einwohnern selbst Geschwindigkeitsüberschreitungen feststellen dürfen. Bislang ist dies großen Städten vorbehalten. In kleineren Kommunen ist der Kreis zuständig dafür, Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen.
Hauptgeschäftsführer Christof Sommer sagte unserer Redaktion: „In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern spielt die Verkehrssicherheit immer wieder eine sehr große Rolle. Viele wünschen sich mehr Kontrollen, weil gerast wird. Darum werben wir nach wie vor dafür, künftig auch den mittelgroßen kreisangehörigen Kommunen eigene Kontrollmöglichkeiten einzuräumen, wenn es die Lage vor Ort erfordert.“Nordrhein-Westfalen würde damit Sommers Angaben zufolge auch keinen Sonderweg einschlagen: „In anderen Bundesländern ist es üblich, dass die Kommunen
eigenständig Verkehrskontrollen durchführen dürfen, obwohl die Gemeinden dort oftmals deutlich kleiner sind.“
Das Land solle seine bisherige Zurückhaltung bei dem Thema aufgeben und den Kommunen freistellen, ob sie tätig werden wollen, forderte Sommer: „Das Beharren auf einer einheitlichen Lösung nach dem Motto ,Alle oder keiner‘ wird den Problemen vor Ort nicht gerecht. Es geht schlicht und einfach um mehr Verkehrssicherheit, also weniger Verletzte oder gar Tote.“
In den Jahren 2017 bis 2021 wurden nach Angaben der Landesregierung bei Verkehrsunfällen, bei denen die Ursachen „Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“und „nicht angepasste Geschwindigkeit‘ mit aufgeführt wurden, 541 Menschen getötet. Rechnet man Schwer- und Leichtverletzte hinzu, summiert sich die Zahl der Betroffenen im gleichen Zeitraum auf 30.471.
Hauptgeschäftsführer Sommer verwies außerdem darauf, dass in anderen Bereichen kommunalen Handelns – zum Beispiel in der Jugendhilfe – Optionsregelungen völlig normal seien: „Wir setzen darauf, dass wir 2023 an unseren ersten Austausch vor der Landtagswahl anknüpfen und in ergebnisorientierte Gespräche auf Fachebene einsteigen können.“
Ein Sprecher von NordrheinWestfalens Innenminister Herbert
Reul (CDU) erklärte auf Anfrage, man habe den kommunalen Spitzenverbänden einen Regelungsvorschlag für eine entsprechende Ausweitung unterbreitet. Dabei habe sich aber ein uneinheitliches Meinungsbild ergeben, weswegen man von einer Ausweitung auf die mittleren kreisangehörigen Städte bislang abgesehen habe.
„Insbesondere konnte das Ministerium des Innern damals dem Vorschlag nicht folgen, die kommunale Geschwindigkeitsüberwachung den Kommunen nur optional im Wege eines Antragsverfahrens zu ermöglichen“, so der Sprecher weiter. Bislang liege dem Innenministerium noch kein weitergehender Vorschlag seitens der Kommunalen Spitzenverbände in dieser Sache vor.
Die Verkehrsüberwachung zähle zu den Kernaufgaben der nordrhein-westfälischen Polizei, so der Sprecher weiter. „Fahrzeugführer müssen immer und überall mit polizeilicher Geschwindigkeitsüberwachung rechnen. Die Aktivitäten der Geschwindigkeitsüberwachung nehmen die Kreispolizeibehörden nach eigener Lagebewertung vor.“
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Christian Dahm, sagte: „Geschwindigkeitskontrollen sollten sich immer nach Aspekten der Verkehrssicherheit richten, nicht nach der Kassenlage. Seit Jahren versäumt es die Landesregierung aber, in dieser Frage für Klarheit zu sorgen, und hält die Kommunen hin.“Es dürfe jedoch nicht dazu kommen, dass ärmere Kommunen dann mehr blitzen als reiche, warnte Dahm, der vor seiner Politikerlaufbahn als Polizeibeamter tätig war.
„Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, für gerechte Kommunalfinanzen zu sorgen. Die Untätigkeit der Regierung Wüst bei der Altschuldenlösung führt doch erst zu solchen Diskussionen. Die Landesregierung könnte das Thema also ganz schnell auch auf anderem Wege beenden, wenn sie die Altschuldenproblematik endlich einmal in die Hand nehmen würde“, verlangte der Sozialdemokrat.