Rheinische Post - Xanten and Moers
Fünf Quadratmeter für 550 Euro
Skrupellose Vermieter nutzen in Paris die Wohnungsnot aus. Sie bieten illegal winzige frühere Dienstmädchenzimmer zu Wucherpreisen an. Nun reagiert die Stadtverwaltung.
„chambres de bonne“, die meist unter dem Dach liegen, ist vermietet, obwohl das illegal ist. Eine vermietbare Unterkunft muss laut Gesetz mindestens eine Fläche von neun Quadratmetern, eine Deckenhöhe von 2,20 Metern und ein Volumen von 20 Kubikmetern haben. In Massis Fall schrieb die Besitzerin 24 Kubikmeter in den Vertrag, obwohl die Behausung nur die Hälfte davon hat. Als sie Wind davon bekam, dass ihr Mieter sich an die Stadtverwaltung wandte, verkaufte sie ihr „Studio“schnell weiter. Ihr Nachfolger erhielt eine Mahnung mit der Aufforderung, dem Mieter innerhalb von drei Monaten ein neues Zuhause zu besorgen, doch er ließ die Frist verstreichen. Die Stadt erklärte die Unterkunft nun für unbewohnbar und will Massi bei einer Klage unterstützen.
Der Kellner ist durchaus kein Einzelfall. Jeder in Paris kennt Studentinnen und Studenten mit winzigen Zimmern und Toilette im Treppenhaus. Oder Familien, die sich auf gut 30 Quadratmetern drängen und Rentner, die sich über Küchenschaben beschweren. Immer wieder werden Fälle wie jener einer indischen Familie bekannt, die mehrere Jahre lang auf vier Quadratmetern für fast 400 Euro lebte.
Die Liste der Wohnungsprobleme in Paris ist lang. Dabei versucht die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo seit Jahren, die Lage zu verbessern. Sie ließ Sozialwohnungen bauen, deckelte die in der Hauptstadt extrem hohen Mieten und schränkte die Vermietung über die Plattform Airbnb ein, die 65.000 Unterkünfte allein in Paris anbietet. Über Airbnb, das vor allem junge Leute für lukrative Nebeneinkünfte nutzen, darf nun nur noch 120 Tage pro Jahr vermietet werden.
Dennoch bleibt das Wohnen in der Metropole ein Luxus: Mehr als 13.000 Euro kostet der Quadratmeter durchschnittlich für diejenigen, die kaufen wollen. Vor allem junge Familien verlassen deshalb Paris. „Wir wollen nach Tours ziehen, weil uns das hier mit Kind zu teuer ist. Zudem fehlt uns das Grün für unseren Sohn“, sagt ein junges Paar mit Baby, das wie Massi an der Place de la Réunion wohnt, einer hippen Gegend im Osten der Stadt. Rund 10.000 Menschen ziehen von Paris pro Jahr in kleinere Städte. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das Phänomen verstärkt. Das Homeoffice ermöglicht es vor allem Familien, sich in Regionen niederzulassen, in denen sie deutlich weniger Miete zahlen und mehr Platz haben. Ergebnis: Die Mietpreise in der Provinz zogen 2021 um fast neun Prozent an.