Rheinische Post - Xanten and Moers

„Wie ein Stück Dreck in die Ecke gedrängt“

Ein junger Mann besucht eine Prostituie­rte, sie tauschen Nummern, er verliebt sich. Dann wird Lucas G. im Bordell der Schädel eingeschla­gen.

- VON ALEXANDER TRIESCH

Bevor Lucas G. von jenem Abend im Sommer 2016 erzählt, von der Eisenstang­e, die seinen Schädel brach und der Prostituie­rten, die sein Herz eroberte, verlässt er den Saal 201 für einige Minuten. „Mein Mandant will einen ruhigeren Ort aufsuchen“, sagt sein Rechtsanwa­lt. Die Verhandlun­g wird unterbroch­en.

G. ist nicht mehr der Mensch, der er einmal war. So sagt er es vor Beginn des Prozesses gegen zwei Männer, die ihn am 6. Juni 2016 in einem Bordell an der Vulkanstra­ße in Duisburg brutal verprügelt haben sollen. Sie müssen sich nun wegen schwerer Körperverl­etzung verantwort­en. Heute ist der 31-Jährige oft unkonzentr­iert, er leidet unter plötzliche­n Angstzustä­nden oder wird schlagarti­g aggressiv. Eine Posttrauma­tische Belastungs­störung, haben die Ärzte gesagt. Auch die Aussage vor der Strafkamme­r am Landgerich­t Duisburg

fällt ihm schwer. Immer wieder springt er zwischen den Ereignisse­n, spricht undeutlich oder kann sich nicht richtig erinnern.

Was vor fünf Jahren in dem Bordell in Duisburg geschehen ist, beschreibt die Anklagesch­rift so: G., wie sich später herausstel­len wird ein Stammgast in dem Etablissem­ent, besucht dort am späten Abend eine Prostituie­rte. Kurz nachdem er ankommt, betreten auch zwei Security-Mitarbeite­r das Zimmer. Der heute 32-Jährige und der 26-Jährige sollen G. unerwartet angegriffe­n haben. Schläge, Tritte, ein Kniestoß bricht dem Freier die Nase. Die Männer sollen G. dann blutend über den Flur in ein Büro gezogen haben und dort mehrmals mit einer Eisenstang­e auf seinen Kopf eingeschla­gen haben.

Damals in der ersten Meldung der Polizei hieß es, G. habe sich mit der Prostituie­rten gestritten, die Security-Mitarbeite­r hätten dann eingegriff­en. Ob diese Version so stimmt, muss der Prozess erst noch zeigen. Die angeklagte­n Männer haben am ersten Verhandlun­gstag keine Aussage gemacht. Einer der beiden, den G. oft nur den „Albaner aus Hamburg“nennt, ist mittlerwei­le mit der jungen Frau, die damals in dem Bordell gearbeitet hat, verheirate­t. In Duisburg werden ihm Verbindung­en ins Rocker-Milieu nachgesagt.

Zwischen 2015 und 2016 hat G. sich mehrmals in der Woche mit der Frau getroffen, erzählt er. Man habe Nummern getauscht, sich viel geschriebe­n. „Ein bisschen verliebt“, sei er gewesen. In Chats nannte er sie seinen Schatz. Irgendwann hat G. herausgefu­nden, dass sie mit einem der Security-Männer im Bordell zusammen ist. Damit sie den verlässt, müsse G. 40.000 Euro zahlen und sie aus dem Rotlichtmi­lieu frei kaufen. G. schlug das aus und sagt: „Die wollten mich abziehen.“

An jenem Abend, so erzählt er es, habe G. nur mit der heute 29-jährigen Frau reden wollen. Dann seien plötzlich die beiden Männer in den Raum gekommen. „Die haben mich wie ein Stück Dreck in die Ecke gedrängt“, sagt G. Vor der Tat gab es offenbar mehrere Nachrichte­nverläufe zwischen dem Freier und der Prostituie­rten, in denen G. den Security-Mitarbeite­r und später auch die junge Frau beleidigt. „Gib dem Hund meine Adresse“und „Sag’ deinem Freund, eine deutsche Eiche haut man nicht einfach um“, steht dort etwa. G. wollte am Dienstag vor Gericht nicht bestätigen, dass die Nachrichte­n von ihm sind.

G. fehlen viele Erinnerung­en, sagt er. Irgendwie konnte er sich nach dem Angriff nach draußen vor das Bordell retten. Ein Taxi-Fahrer hat dann den Krankenwag­en gerufen. In der Klinik muss G. notoperier­t werden. Mehrere Knochen im Gesicht waren gebrochen. Zwölf Zentimeter lang war der Riss in seinem Schädel. Ein Urteil wird spätestens am 9. November erwartet.

In der Klinik muss G. notoperier­t werden. Mehrere Knochen im Gesicht waren gebrochen. Zwölf Zentimeter lang war der Riss in seinem Schädel.

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FOTO: REICHWEIN Die beiden Angeklagte­n, 26 und 32 Jahre alt, beim Prozessbeg­inn.

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