Rheinische Post - Xanten and Moers
„Berliner Erfolg hängt von Brüssel ab“
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung spricht über nötige Schritte beim Klimaschutz und dringende Aufgaben der neuen Bundesregierung. Angesichts hoher Energiepreise findet er klare Worte zu Russland – und warnt vor voreiligen Schlüss
Herr Edenhofer, Olaf Scholz will Klimakanzler werden, die Grünen versprechen eine Klimaregierung. Rechnen Sie damit, dass es dazu kommt?
EDENHOFER Ich hoffe es sehr, aber es hängt jetzt alles von den Verhandlern der Parteien ab. Das Sondierungspapier zeigt: Die klimapolitischen Ambitionen der Grünen, der sozialdemokratische Wille zum sozialen Ausgleich und die liberale Betonung von Marktwirtschaft und Freiheit könnten der Beginn eines gesellschaftsund klimapolitischen Aufbruchs sein. Entscheidend ist dann, wie das im Koalitionsvertrag konkret ausgestaltet wird.
Klingt nach einer ganz sinnvollen Mischung, oder?
EDENHOFER Ja, das würde ich so sagen.
Vom CO2-Preis ist im Sondierungspapier allerdings keine Rede, stattdessen sollen Brennstoffemissionshandelsgesetz
und europäischer Emissionshandel überarbeitet werden. Können Sie das erklären? EDENHOFER Dass der CO2-Preis nicht genannt wird, ist aus meiner Sicht zunächst nicht unbedingt besorgniserregend. Im Brennstoffemissionshandelsgesetz ist ja der nationale Emissionshandel und ein klarer Fixpreis für die CO2-Bepreisung bis zum Jahr 2025 verankert. Dieser Fixpreis soll offenbar nicht erhöht werden. Aber möglicherweise sollen die Preise ab 2026 nicht mehr staatlich festgelegt werden, sondern sich am Markt frei bilden. Das würde bedeuten, dass der CO2-Preis dann rapide ansteigen würde. Sehr wichtig ist, dass sich die Koalitionäre klar zum zweiten Emissionshandel auf EU-Ebene bekennen. Einen solchen hat die Europäische Kommission im Green Deal vorgeschlagen, und jetzt kommt es auf das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten an. Bislang war Deutschlands Unterstützung für den „Green Deal“nicht gerade feurig. Das muss sich ändern, wenn die Emissionen sinken sollen. Der Erfolg der Berliner Klimapolitik hängt ab vom Erfolg der Brüsseler Klimapolitik.
Die Ampel-Parteien wollen die EEGUmlage abschaffen. Wird dadurch der Strompreis für Verbraucher spürbar sinken?
EDENHOFER Die EEG-Umlage soll nicht mehr über den Strompreis finanziert werden, sondern aus Steuermitteln. Damit würde der größte Brocken aus dem deutschen Strompreis herausgelöst werden, der den Preis neben Steuern und Abgaben teuer macht. Von der Abschaffung der EEG-Umlage würden gerade einkommensschwächere Haushalte erheblich profitieren. Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung können und müssen wir eine Entlastung der Geringverdiener finanzieren – zunächst über den Strompreis, später auch mit direkten Auszahlungen an die Bürger. Ein solcher Sozialausgleich ist essenziell.
Gerade explodieren Gas- und Energiepreise. Wie sehr erschwert das die Anstrengungen beim Klimaschutz? EDENHOFER Die Behauptung, dass der Klimaschutz die Gaspreise in die Höhe treibt, ist absurd. Es liegt gewiss nicht am Klimaschutz, sondern an der steigenden Gasnachfrage, gerade in Asien, aber auch daran, dass Russland trotz steigender Preise kein zusätzliches Angebot schaffen will. Der Gaspreis steigt auf den Weltmärkten derzeit schneller an als der Kohlepreis. Das hat zur Folge, dass wieder mehr Kohle genutzt wird. In Europa verhindert zum Glück der Emissionshandel genau das: Auch wenn der Gaspreis kurzfristig steigt, wird der CO2-Preis trotzdem dafür sorgen, dass die Kohle zunehmend aus dem Markt verdrängt wird. Diese Bewegungen auf den internationalen Rohstoffmärkten zeigen gerade, wie wichtig der Emissionshandel ist. Der CO2-Preis ist die Garantie dafür, dass die fossilen Energieträger nicht wieder verstärkt genutzt werden, sondern mehr auf Erneuerbare gesetzt wird.
Haben Sie die Befürchtung, dass dieser Mechanismus politisch infrage gestellt wird?
EDENHOFER Ja, die Gefahr gibt es. Manche derjenigen, die sich früher vehement für den Emissionshandel eingesetzt haben, sind plötzlich der Auffassung, dass Eingriffe notwendig seien und der Klimaschutz für die Preisanstiege verantwortlich sei. Diese Argumentation führt in die Irre. Russland scheint versucht zu sein, den „Green Deal“zu verzögern und die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 durchzusetzen. Die Preise werden als politisches Druckmittel genutzt. Es wäre genau der falsche Weg, den Klimaschutz jetzt zu verzögern, denn dadurch würde Europa noch abhängiger von Russland werden. Ich kann nur davor warnen, jetzt den Emissionshandel zu schwächen. Das würde unsere Sicherheitsrisiken wachsen statt schrumpfen lassen, sowohl bei der Energiesicherheit als auch bei der Klimasicherheit.
Wie sollte man jetzt gegensteuern? EDENHOFER Die Antwort muss sein, die Gasnachfrage stärker zu diversifizieren, großes Gewicht auf Energiesicherheit zu legen, um auch künftig Preisspitzen abfedern zu können. Vor allem aber sollten wir die Energiewende in Europa schneller vorantreiben. Zum anderen müssen diejenigen unmittelbar unterstützt werden, die von den Preissteigerungen besonders betroffen sind. Die europäische Idee eines Sozialfonds ist beim Thema Klima und Energie absolut unverzichtbar.