Rheinische Post - Xanten and Moers

Neues Haus für zwei Gemeinden

In Orsoy setzen die beiden Kirchen ein starkes Zeichen der Ökumene. St. Peter baut auf dem Grundstück der Protestant­en neben dem Kindergart­en ein Heim für beide Gemeinden. Die evangelisc­he Kirche werden sich die Partner künftig teilen.

- VON UWE PLIEN

ORSOY Die Evangelisc­he Kirche Orsoy ist der Mittelpunk­t der alten Festungsst­adt am Rhein. Unübersehb­ar, unverrückb­ar und nach der umfangreic­hen, jahrelange­n, Ende 2016 abgeschlos­senen Sanierung sehr gut in Schuss. Das große weiße Gotteshaus sei aber auch das einzige kirchliche Gebäude in Orsoy, mit dem alles zu 100 Prozent in Ordnung sei, sagen die beiden Pfarrer Heiner Augustin (evangelisc­h) und Martin Ahls (katholisch). Deshalb gehen sie mit ihren Gemeinden neue Wege, bauen neu, schneiden alte Zöpfe ab und setzen am Ende drei dicke Ausrufezei­chen hinter das Wort Ökumene. Denn künftig werden die beiden Gemeinden sehr verzahnt arbeiten und das Leben im Ort gemeinsam gestalten.

Fangen wir mit dem Neuen an. Mit einem Gebäude, das einmal „Haus der Gemeinden“heißen könnte und an der Stelle gebaut wird, wo jetzt die Kinder des ehemals evangelisc­hen Kindergart­ens (inzwischen betreibt ihn die Stadt) spielen, wenn sie draußen sind. „Wir wollen ein Haus bauen, das evangelisc­hes Gemeindeha­us und katholisch­es Pfarrheim gleicherma­ßen ist“, betont Martin Ahls, der Chef von St. Peter. Ganz genau stehen die Baupläne noch nicht fest, aber weitgehend. „Wir werden zwischen Kita und Evangelisc­her Kirche bauen“, so Pfarrer Heiner Augustin. Und zwar so, dass die große Buche im Kita-Garten ebenso stehen bleiben kann wie der Trafo hinter dem Gasthof Mütterlein, der halb so groß ist wie eine Garage. Die rund zehn Stellplätz­e an der Straße, die zwischen Kirche und Mütterlein entlang führt, fallen weg, damit der Neubau weit genug nach vorne gezogen werden kann. Augustin: „Es gab auch Überlegung­en, das Haus auf das freie Grundstück weiter Richtung katholisch­er Kirche zu setzen. Aber uns war wichtig, dass sich der Eingang nahe der evangelisc­hen Kirche befindet.“Denn die wird künftig beiden Gemeinden Heimat sein. Die katholisch­e St.-Nikolaus-Kirche soll in Zukunft nicht mehr von der Gemeinde genutzt werden. Das freie Grundstück Richtung St.-Nikolaus-Kirche wird als Außengelän­de für den Kindergart­en angelegt.

Das beauftragt­e Architektu­rbüro Winkelmann und Matzken, das unter anderem den Kindergart­en St. Evermarus Borth entworfen hat, plant ein knapp 250 Quadratmet­er großes Gebäude, dessen Spitzdach ein architekto­nisches Pendant zu dem auf dem Kirchensch­iff darstellen soll. Martin Ahls: „Herzstück wird ein 107 Quadratmet­er großer Saal sein, hinzu kommen zwei Gruppen- sowie Funktionsr­äume.“Sprich: Toiletten, Küche, Lagerräume. 800.000 Euro sind für den Bau veranschla­gt, die Kosten übernimmt das Bistum Münster. Das Grundstück muss nicht gekauft werden, das gehört den Protestant­en, die es gerne zur Verfügung stellen. Darüber, wie diese kirchenübe­rgreifende Gemengelag­e formal-rechtlich zu händeln ist, zerbrechen sich die Experten bei der Landeskirc­he und beim Bistum die Köpfe. „Für uns ist nur wichtig, dass es klappt“, so Ahls, „und es klappt.“

Baubeginn für das barrierefr­eie, energieeff­iziente Haus, das durch die Doppelnutz­ung eine deutlich bessere Auslastung haben werde, soll 2022 sein. Die Stadt Rheinberg ist von Anfang an in die Planungen eingebunde­n, auch als Untere Denkmalbeh­örde. Auf kirchliche­r Seite gibt es eine Arbeitsgru­ppe mit Frauen und Männern aus beiden Lagern.

„Uns ist klar, dass wir für unsere Pläne nicht von jedem in Orsoy geliebt werden“, konstatier­en die beiden Pfarrer. Sie spielen darauf an, dass es im Ort den Wunsch nach einem größeren Gebäude auch für größere Veranstalt­ungen wie eine ordentlich­e Schützenve­rsammlung gebe. „Wir wissen, dass es diese Stimmen in Orsoy gibt und wir können das auch verstehen“, so Ahls. „Aber das ist auch eine Frage des Geldes und es kommt niemand vorbei, der noch mal zwei Millionen Euro für ein größeres Gebäude drauflegt. Wir müssen schauen, was wir brauchen und was wir umsetzen können. Wir wollen etwas schaffen, von dem wir später sagen können: Das tut beiden Gemeinde gut. Und wir sind überzeugt davon, dass das mit diesem Konzept klappt. Wir geben etwas auf, um etwas Neues zu beginnen.“

Heiner Augustin stimmt zu: „Wir sind als Kirchen die Herren des Geschehens. Wir wollen das Leben im Ort miteinande­r gestalten.“Welcher Konfession jemand angehört, das spiele heute in vielerlei Hinsicht keine so große Rolle mehr, gibt Augustin zu bedenken und nennt die Seniorenar­beit als Beispiel. Künftig soll es nicht an einem Tag ein evangelisc­hes und an einem anderen ein katholisch­es Seniorenca­fé geben, sondern vielleicht an zwei Tagen einen Treffpunkt für alle Senioren.

Eine öffentlich­e Vorstellun­g sei in Zeiten von Corona nicht durchführb­ar, sagen die Pfarrer, betonen aber, dass beide Gemeindegr­emien natürlich voll umfänglich informiert seien. Augustin: „Und es gibt Zustimmung auf ganz breiter Linie.“

 ?? RP-FOTOS: NORBERT PRÜMEN ?? Ein Blick aus der Luft auf die beiden Orsoyer Kirchen. Die evangelisc­he (vorne) wird künftig von Protestant­en und Katholiken gemeinsam genutzt, die katholisch­e Kirche St. Nikolaus (hinten) soll verkauft werden.
RP-FOTOS: NORBERT PRÜMEN Ein Blick aus der Luft auf die beiden Orsoyer Kirchen. Die evangelisc­he (vorne) wird künftig von Protestant­en und Katholiken gemeinsam genutzt, die katholisch­e Kirche St. Nikolaus (hinten) soll verkauft werden.

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