Rheinische Post - Xanten and Moers
Raser-Prozess beginnt in Kleve
Am Montag startet vor dem Landgericht Kleve der Prozess gegen die zwei Männer, die sich am Ostermontag in Meerbeck ein Autorennen mit tödlichem Ausgang geliefert haben sollen. Eine 43 Jahre alte Frau starb. Die Staatsanwaltschaft sieht ein Mordmerkmal ver
Am Montag beginnt der Prozess gegen zwei Männer, die sich in Meerbeck ein Autorennen mit tödlichem Ausgang geliefert haben sollen.
Am Montag beginnt vor dem Landgericht Kleve die Gerichtsverhandlung um das illegale Autorennen in Meerbeck, bei dem im April vergangenen Jahres eine Frau zu Tode kam. Fest steht schon jetzt: Es wird ein emotionaler Prozess – Ehemann, Tochter und Sohn der Verstorbenen treten als Nebenkläger auf. Der Fall ist aber auch rechtlich interessant, denn die Staatsanwaltschaft wirft dem Hauptangeklagten Mord vor. Darüber, was das genau bedeutet, hat unsere Redaktion mit Oberstaatsanwalt Günter Neifer gesprochen.
Der Fall
Angeklagt sind zwei Männer, beide 22 Jahre alt, die sich am späten Abend des 22. April 2019 – Ostermontag – hinters Steuer zweier hochmotorisierter Autos setzen. Der eine lenkt einen 612 PS starken Mercedes AMG, der andere einen Range Rover mit 550 PS. Laut Anklage treffen sich die Männer auf einem Supermarktparkplatz an der Klever Straße. Dort lassen sie zunächst die Motoren aufheulen, um die Leistungsstärke ihrer Fahrzeuge zu demonstrieren, anschließend – davon ist die Anklagebehörde überzeugt – lieferten sie sich ein Rennen auf der Bismarckstraße.
„Es deutet vieles darauf hin, dass als Startpunkt der überquerte Bahnübergang ausgemacht war, denn den kann man als Autofahrer wegen der Straßenbeschaffenheit nur in gemäßigtem Tempo überqueren“, sagt Neifer. Der AMG-Fahrer soll dann auf 167 km/h – mehr als das Dreifache der zulässigen Geschwindigkeit – beschleunigt und dafür auch die linke (Gegen-)Fahrspur genutzt haben. Als eine Frau mit einem Kleinwagen in die Straße einbiegt, kommt es zum Zusammenstoß. Die nicht angeschnallte 43-Jährige wird aus dem Auto geschleudert und erliegt später im Krankenhaus ihren Verletzungen. Ein Reserverad fliegt durch die Wucht des Aufpralls 105 Meter weit, bevor es gegen eine Garage kracht und eine Passantin um ein Haar am Kopf trifft. Die Frau hatte sich zufällig zu ihrem Hund herunter gebeugt.
Der Tatvorwurf
Dem AMG-Fahrer, der sich wenige Tage nach dem Unfall bei der Polizei stellte und seither in Untersuchungshaft sitzt, werden Mord und Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge vorgeworfen, dem Range-Rover-Fahrer Teilnahme an einem verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge. „Die rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft Kleve orientiert sich dabei auch am sogenannten Ku’damm-Urteil und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs“, erklärt Neifer.
Das Ku’damm-Urteil
Der Fall der beiden Berliner Ku’damm-Raser ist berühmt. Die beiden Männer fuhren in der Nacht zum 1. Februar 2016 mit hoher Geschwindigkeit über den Berliner Kurfürstendamm. Dabei ignorierten sie mehrere rote Ampeln. An einer Kreuzung kam es dann zu einer Kollision mit einem unbeteiligten Fahrzeug. Der 69 Jahre alte Fahrer hatte keine Chance auszuweichen und starb noch in seinem Auto an den Folgen des Unfalls. In erster Instanz wurden die beiden Fahrer vom Landgericht Berlin wegen gemeinschaftlichen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil wegen Mängeln in der Urteilsbegründung zunächst wieder ein, weshalb sich das Landgericht Berlin im vergangenen Jahr erneut mit dem Fall beschäftigen musste. Dabei gingen die Richter, wie schon im ersten Urteil, von einem bedingten Tötungsvorsatz aus. Das bedeutet, dass die Täter den Tod eines anderen Menschen zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die beiden Raser wurden deshalb erneut wegen Mordes verurteilt. Auch gegen das zweite Urteil kündigten die Verteidiger den Gang vor den Bundesgerichtshof an.
Das Mordmerkmal
Nach Paragraf 211 StGB muss, um eine Verurteilung wegen Mordes zu rechtfertigen, mindestens ein Mordmerkmal vorliegen. Dazu gehören zum Beispiel Mordlust, Habgier, Heimtücke oder die Absicht, eine andere Straftat zu verdecken. Im Moerser Fall geht die Anklage vom Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels aus. Das tonnenschwere, PS-starke Fahrzeug des Unfallfahrers sei bei der gefahrenen Geschwindigkeit nicht mehr zu kontrollieren gewesen und hätte im Zweifel auch noch weitere Opfer fordern können, sagt Neifer.
Das Strafmaß
Bis zum Ku’damm-Urteil wurden Raser in der Regel wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Der Unterschied macht sich besonders im Strafmaß bemerkbar. Während Mord immer mit lebenslanger Haft bestraft wird, können Gerichte fahrlässige Tötung mit einer Geldstrafe ahnden.
Relativ neu ist die Strafvorschrift des 315d StGB, das verbotene Kraftfahrzeugrennen. Seit 2017 wird das nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat gewertet. „Dadurch wird der erhöhten Gefahr, die die Täter schaffen, Rechnung getragen“, sagt Günter Neifer. „Die bloße Teilnahme an einem illegalen Rennen ist damit strafbar, auch wenn gar nichts passiert.“Rasern drohen nunmehr bis zu zwei Jahre Gefängnis. Kommen Menschen durch ein illegales Rennen ums Leben – zum Beispiel wie im Moerser Fall –, sind sogar bis zu zehn Jahre Haft möglich.