Rheinische Post - Xanten and Moers
Der Simulator hilft beim Pedelec-Training
Die Polizei startet in den Sommerferien Kurse für die Fahrer von E-Bikes. Vorab konnten Interessierte den Simulator am Vluyner Platz testen.
Heinrich Appenzeller ist ein vorsichtiger Radfahrer. In der vier Meter breiten Wohnstraße mit zwei Meter hohen Hecken an den Seiten radelt mit einer Geschwindigkeit von 15 Stundenkilometern. Plötzlich rollt von rechts ein Ball über die Straße. Der Vluyner bremst sofort. So steht er rechtzeitig vor einem Kind, das auf dem Bildschirm des Fahrrad-Simulator dem Ball hinterherläuft. „Gut Aufgepasst“, bekommt er von Jürgen Lantermann zu hören. „Sie hatten eine Reaktionszeit von 0,37 Sekunden. Das ist sehr gut. Formel-1-Fahrer haben 0,25 Sekunden, die meisten Menschen um eine Sekunde.“
Der Polizeihauptkommissar zeigt auf einen Bildschirm. Heinrich Appenzeller hätte mit dem Fahrrad mit elektrischem Zusatzantrieb nach dreieinhalb Metern gestanden, einen halben Meter vor dem Kind. „Bei 25 Stundenkilometer wären sie schon in ihrer Reaktionszeit zweieinhalb Meter gefahren“, sagt der Polizist. „Sie hätten mit dem Bremsen begonnen, kurz bevor sie das Kind getroffen hätten. Das Kind hätte keine Chance gehabt. Zum Stehen gekommen wären sie erst acht Meter später.“
Er und Armin Janzen von der Verkehrsunfallprävention starten mit den Sommerferien wieder ihre Kurse, um Autofahrer und Pedelec-Fahrer für die Gefahren zu sensibilisieren, die das schnelle Zweiradfahren mit sich bringt. Dabei nutzen sie neuerdings einen Pedelec-Simulator, den sie auf dem Vluyner Platz vor dem Treff 55 zeigten. Eingeladen hatte die Seniorenberatung der Grafschafter Diakonie. „Die Anzahl der Pedelecs nimmt rasant zu“, sagt Armin Janzen. „Mittlerweile sind es vier Millionen Stück in Deutschland. So steigt auch die Zahl der Unfälle mit Pedelecs zu.“
Für die beiden Polizisten hat das zwei Ursachen. „Autofahrer unterschätzen die Pedelecs“, sagen die beiden. „Wenn sie an einer Kreuzung stehen, denken sie, es ist ein normales Fahrrad. Sie schauen nach links und nach rechts. Und wenn sie losfahren, ist das Pedelec vor ihnen.“Zugleich überschätzen sich die Pedelec-Fahrer. „Sie müssen wissen, wie sich ihr Fahrrad in Grenzsituationen verhält“, sagt Armin Janzen. „Sie müssen viel vorausschauender fahren, mit den Fehlern der anderen rechnen.“
Das macht auch Heinrich Appenzeller am Pedelec-Simulator. Als vor ihm ein orangefarbenes Müllauto auftauchte, das auf dem Fahrradstreifen hält, bleibt er stehen. „Ich würde nach hinten gucken“, erläutert er. „Aber das geht beim Simulator nicht. Wenn keiner hinter mir ist, würde ich den Müllwagen mit großem Abstand überholen. Sonst würde ich hinter dem Wagen bleiben.“
Auch in anderen Situationen ahnt er die Gefahren, zum Beispiel wenn sich ein Radstreifen vor einem Kreisverkehr mit der Hauptfahrbahn vereinigt oder direkt neben den Radwegen Autos parken. „Nicht alle drehen sich um, wenn sie die Tür öffnen. Es ist gut, Fahrradfahrer und Autofahrer zu sein. So kenne ich beide Perspektiven.“