Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Fäkalsprache vor der Kamera
BVB-STAR Marco Reus findet im Interview sehr deutliche Worte. Das regt kaum auf.
Marco Reus blickt noch einmal zur Fankurve, wo die Dortmund-fans freudetrunken den Einzug ins Champions-leaguefinale feiern. Reus ist erschöpft, glücklich. Was für eine Woche, was für ein Sieg, sagt er. Und dass sein Team nun auch im Finale siegen müsse, „sonst wäre es scheiße“. Grinst. Das Interview geht weiter. Niemand regt sich auf. Vorbei die Zeiten, als Fäkalsprache verpönt war – in der Familie, erst recht in der Öffentlichkeit und ganz sicher im TV. In anderen Ländern ist die Sensibilität für unflätige Begriffe noch höher. In den USA etwa werden vulgäre Ausdrücke mit einem Piepton überspielt. Haben die Deutschen jeden Sinn für Etikette verloren? Jeden Respekt vor ihrer eigenen Sprache? Tatsächlich ist gerade gegenüber Fäkalsprache eine Gewöhnung eingetreten. Das S-wort regt niemanden mehr auf. Im Smartphone gibt es gar ein entsprechendes Emoji. Kleinen Kindern wird vielleicht noch gepredigt, lieber Scheibenkleister zu sagen oder, wenn es denn sein muss, Mist. Doch auf allzu viele gute Vorbilder sollten diese Kinder nicht hoffen. Die Fäkalsprache ist im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen.
Das ist auch deswegen bemerkenswert, weil die Sprachsensibilität in anderen Bereichen eher steigt. Mehr und mehr Menschen achten darauf, keine diskriminierenden oder rassistischen Begriffe zu verwenden, Sprache soll niemandem wehtun. Doch beim Swort ist man großzügig. Es kommt in allen Gesellschaftskreisen vor, gilt als lässig, bei einem wie Marco Reus sogar als sympathisch, weil da ein Fußballstar einfach ungefiltert ein Gefühl transportiert.
Das zeigt, dass Anstand und Höflichkeit früher zählten, heute ist ein anderer Wert wichtiger: Authentizität. Reus kam gerade aus einem Spiel, das ihm alles abverlangt hat. Er schwitzte. Er war gerührt. Und hat rausgehauen, was ihm durch den Kopf ging: dass sie den Titel jetzt auch holen müssen. Alles andere wäre schlechter als schlecht. Sie wissen schon! Ein Star klingt wie seine Fans, verdient Millionen, aber spricht, wie alle. Nett für die Fans, schade für die Sprache.