Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Grüne gegen Arbeitsplätze?
Anders als der Durchschnittswähler – also Sie und ich – vermuten, ist das große Thema dieses Wahlkampfs nicht der Eiskonsum von Armin Laschet oder die Sprungfähigkeiten von Annalena Baerbock auf dem Trampolin. Nein, auch nicht, dass Olaf Scholz mal lange Haare hatte. Das große Thema des Wahlkampfs ist – tadaaa – die Versöhnung. Welchem Spitzenkandidaten man auch zuhört in diesen Tagen und Wochen, der wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eines predigen: dass Wirtschaft und Ökologie miteinander versöhnt werden müssen. Wie das gehen soll, ist umstritten. Die einen setzen auf Technologien, die nächsten auf Verzicht und die anderen auf Fatalismus: wird schon.
Die Grünen, die immer noch gerne ins Kanzleramt auf der Willy-brandt-straße in Berlin einziehen würden, stehen eindeutig auf der Seite des Verzichts. Mit der interessanten Ausprägung, dass je tiefer man sich in den Ebenen herunterarbeitet, vom Bund über das Land bis in die Kommunen, die Grünen oft ideologischer werden, also weniger kompromissbereit. Das Argument lautet dann: die Natur sei schließlich auch nicht kompromissbereit.
Im Aufsichtsrat der Hafengesellschaft Deltaport sollen nach Informationen unserer Redaktion zuletzt drei Grünen-politiker aus dem Kreis Wesel gegen die Ansiedlung eines weltweit tätigen Versandhändlers gestimmt haben, der mehr als 1000 tarifgebundene Arbeitsplätze schaffen will. Sie haben in ihrer Ablehnung keine Mehrheit gefunden, und ihre Motive liegen im Verborgenen. Aber trotzdem drängt sich die Frage auf: Sieht so die Versöhnung zwischen Ökologie und Wirtschaft aus? 1000 Arbeitsplätze in Wesel opfern, um ein reines grünes Gewissen zu haben? Das wäre zynisch und verantwortungslos. Hoffen wir, dass es nicht so war.