Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Wir haben kein Abo aufs Kanzleramt“
TOBIAS HANS (CDU) Der Ministerpräsident des Saarlandes über Kanzlerkandidat Armin Laschet, Afghanistan und seine Impfpläne.
Herr Ministerpräsident, Wolfgang Schäuble hat mehr Solidarität mit dem Kanzlerkandidaten verlangt. Hört Markus Söder die Signale und reiht sich hinter Armin Laschet ein? HANS Wir werden die Wahl nur gemeinsam als CDU und CSU gewinnen können. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, in welchem Teil der Union die meisten Fehler gemacht wurden. Wir müssen jetzt kämpfen. Das ist, glaube ich, noch nicht jedem so richtig klar. Die Karten nach der Ära Merkel werden neu gemischt. Wir müssen uns das Vertrauen, das die Kanzlerin über 16 Jahre erworben hat, neu erkämpfen. Das ist kein Selbstläufer.
Wenn Sie sagen, das ist noch nicht jedem so klar, gilt das auch für den Kanzlerkandidaten?
HANS Armin Laschet ist ein Kämpfer und hat Durchhaltekraft. Ein Wahlkampf verläuft nie mustergültig. Wir hatten eine Flutkatastrophe, da stand der Wahlkampf hinten an. Wir haben aktuell eine schwere außen- und sicherheitspolitische Krise in Afghanistan, die vieles bestimmt. Klar ist aber auch: Es geht in die heiße Phase des Wahlkampfes. Die Union muss jetzt zeigen, dass es um eine Richtungsentscheidung geht. Die Basis ist motiviert.
Wir hören das Gegenteil – es gibt viel Frust in der Union, fast schon Panik angesichts sinkender Umfragewerte. Auch der Austausch des Kandidaten wird diskutiert.
HANS Der Austausch des Kandidaten ist ein Hirngespinst. So etwas kann nicht funktionieren. Selbstverständlich gab es seinerzeit auch in Teilen der CDU die Auffassung, Markus Söder sei der bessere Kandidat. Die Entscheidung steht aber. Mein Eindruck ist, an der Basis steht der Wille im Vordergrund, die Wahl zu gewinnen. Und die Erwartung, dass es endlich richtig losgeht – mit Armin Laschet und Markus Söder im Team, davon können wir nur profitieren, denn beide sprechen unterschiedliche Klientel an.
Braucht Laschet ein Team – oder reicht ein Friedrich Merz?
HANS Wir müssen endlich zeigen, wofür die Union steht und mit wem wir neben dem Kanzlerkandidaten die Zukunft des Landes prägen wollen. Wir sehen in der heutigen Ministerriege oder in der Spitze der Bundestagsfraktion viele fähige Köpfe, denen man Verantwortung für unser Land zutraut. Ich bin ein Fan davon, noch vor der Wahl zu sagen, wer in einem Team drin ist und wer für welche Themen steht. Ich bin sicher, dass das jetzt auf den Weg gebracht wird. So können wir die augenblicklich für uns nicht einfache Lage wenden und bei der Bundestagswahl stärkste Partei werden.
Mit welchen Inhalten wollen Sie denn den Trend drehen?
HANS Ich habe immer gesagt: Wir haben kein Abo aufs Kanzleramt. Deswegen müssen wir jetzt den Wähler dazu bringen, sich selbst zu fragen: Will ich weiter wirtschaftlichen Aufschwung, sichere Arbeitsplätze, einen erfolgreichen Kampf gegen die Pandemie, eine starke Industrie bei gleichzeitigem Erreichen der Klimaziele und eine gute Ausstattung von Polizei und Bundeswehr im Einsatz? Dafür stehen wir. Oder will ich einen Wechsel hin zu höheren Steuern, höheren Spritpreisen, zu einem Tempolimit und der Abschaffung des Eigenheims? Dafür stehen die anderen. Ich bin mir sicher, bei der Union ist man besser aufgehoben.
Welche Prozentzahl geben Sie Laschet für die Bundestagswahl vor? HANS Wenn man Volkspartei sein will, kann man sich nicht mit Ergebnissen unter 30 Prozent zufriedengeben. Dafür müssen wir jetzt aber kämpfen. Zuschauen reicht nicht.
Inwieweit könnte die Lage in Afghanistan den Wahlkampf noch beeinflussen?
HANS Eine humanitäre Katastrophe, verbunden mit einer schlimmen Niederlage für das westliche Engagement, taugt nicht für parteipolitisches Kleinklein. Dafür haben unsere Soldaten und Soldatinnen auch kein Verständnis. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Finanzminister Scholz die Mittel zum Kauf von bewaffneten Drohnen freigegeben hätte. Dann wäre die Bundeswehr nicht auf die Amerikaner angewiesen, wenn sie in einem gefährlichen Einsatz ist. Das treibt mich um.
Muss es nach dem Ende der Luftbrücke weitere Evakuierungen geben?
HANS Humanität kennt kein Datum. Auch nach dem Ende der Luftbrücke müssen wir alles daransetzen, die noch verbliebenen Ortskräfte in Sicherheit zu bringen. Aber auch Menschenrechtler, Journalisten, Blogger, jene Gruppen, die es unter den Taliban besonders schwer haben. Das bedeutet für mich zunächst, dass diese Menschen in den umliegenden Staaten eine sichere
Bleibe finden können. Deswegen plädiere ich für Investitionen in die Grenzgebiete Afghanistans.
Ein weiteres großes Thema ist nach wie vor Corona. Sie haben sich für Impfungen an Schulen ausgesprochen. Was wollen Sie konkret?
HANS Auch im Saarland haben wir die Impfzentren reduziert. Das Zeitalter, nach Termin zu impfen, ist vorbei. Wir stellen um auf mobile Teams in Impfbussen. Diese Teams kommen jetzt vor die Schulen. Damit schaffen wir die Möglichkeit eines niedrigschwelligen Angebotes für Schüler und Schülerinnen ab zwölf Jahren. Auch für Eltern und Lehrer. Wir integrieren die Impfungen nicht in den Unterricht.
Erhöhen Sie damit nicht den Druck auf zweifelnde Eltern und Schüler? HANS Ich sage ganz klar: Meine Erwartung ist, dass sich Eltern impfen lassen. Ebenso die Lehrer und Lehrerinnen, an deren Verantwortungsbewusstsein ich auch appelliere. Kinder und Jugendliche haben in den zwei Jahren der Pandemie alles mitgemacht, sich eingeschränkt, um vulnerable Gruppen zu schützen. Jetzt kommt es darauf an, dass alle, die erwachsen sind, Kinder und Jugendliche schützen. So zeigt sich Solidarität zwischen den Generationen. Deswegen sorgen wir dafür, dass die Schüler sich mit dem Einverständnis der Eltern vor ihren Schulen impfen lassen können. Ganz unkompliziert und ohne Termin, aber auch ohne Druck.