Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Nur plumper Lobbyismus
Sonntagsöffnung
Zu „Sonntagsruhe ist kein Anachronismus“(RP vom 19. Juni): Ich habe den Leitartikel sehr gerne gelesen, weil er auf das Wesen der Demokratie setzt, nämlich den Kompromiss. Aber ist dieser überhaupt noch möglich? Wenn Verdi-vorstand Nutzenberger maßlos davor warnt, „zusammen mit kirchlichen Bündnispartnern werden wir uns mit allen Mitteln gegen diesen Generalangriff zur Wehr setzen“? Man ist fassungslos über diesen verbalen Krieg! Erstens: Natürlich ist die Umarmung der Kirche billige Propaganda. Denn die Kirchen in Deutschland haben ein anderes Problem als Öffnungszeiten des Einzelhandels. Die Kirchen sind geöffnet, aber fast leer. Im Übrigen wäre es kein Problem, zuerst in die Kirche zu gehen und dann zum Shopping. Zweitens: Dieser verbale Angriff schließt jeden Kompromiss aus. Er ist das Gegenstück vom demokratischen Versuch, friedlich Lösungen zu finden. Er ist plumper Lobbyismus für eine kleine Interessengruppe der arbeitsplatzbesitzenden Mitglieder. Drittens: Über Sonntags-öffnungszeiten kann man unterschiedlicher Meinung sein. Aber angesichts des explodierenden Online-handels (Amazon) könnte man auf den Gedanken kommen, dass nur die Öffnung des Einzelhandels die Städte belebt und ein Gegengewicht zu
Online-handelskonzernen bietet. Vielleicht geht es Verdi auch gar nicht um die Öffnungszeiten, sondern darum, ihre schwindende Macht zu genießen. Denn der Untergang ist absehbar. Immer mehr Arbeitnehmer sind nicht mehr gewerkschaftlich organisiert. Warum auch, bei einer solchen Ignoranz der Realität. Und dies ist keine gute Entwicklung, haben die Gewerkschaften doch im vergangenen Jahrhundert große soziale Bedeutung gehabt.