Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Glückliche Rentner-hühner
Willkommen bei den Hartmanns: Nach leistungsorientiertem „Berufsleben“in einer Legebatterie dürfen zwei Deutsche Lachshühner und zwei Bielefelder Kennhühner in Schermbeck den Ruhestand genießen.
SCHERMBECK (geg) Eigentlich wünschte sich die 13-jährige Greta zum Geburtstag eine Farbratte als Haustier. Aber Mutter Sandra Hartmann war nicht so begeistert. Denn: „Letztendlich bleibt die Arbeit doch an mir hängen“. Und Ratten? Nein, das sei überhaupt nicht ihr Ding. Und so entschied sich die Familie nach längerem Überlegen, sich Hühner anzuschaffen, da auch das Grundstück in ihrem Haus in Schermbeck den perfekten Zuschnitt dafür hat. Papa Marcus zimmerte den Stall mit der vor Fuchs und Marder sicheren Voliere und zäunte die Wiese ein.
Im April vergangenen Jahres zogen so zunächst zwei Deutsche Lachshühner und zwei Bielefelder Kennhühner in den Stall ein. Sandra Hartmann erzählt: „Wir haben Platz für sieben bis acht Hühner, also sollten noch weitere kommen.“Durch Zufall las sie dann vom Verein Hühnerrettung NRW, der den Betreibern von Legebatterien mit Bodenhaltung ihre Legehennen, die mit Eintritt der Mauser geschlachtet werden, die Vögel nach Möglichkeit abnimmt.
Ungefähr im Alter von 15 Monaten nimmt die Legeleistung der Hennen aus biologischen Gründen, wie beispielsweise der Mauser, ab. Die meisten Landwirte stallen dann aus, da die Legeleistung im Verhältnis zum Futterverbrauch nicht mehr rentabel ist. Das Legehybridhuhn hat damit eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 18 Monaten. Ist das Huhn am Ende dieser Laufbahn als„ Hoch leistung seier produzentin“angekommen, ist es ausgezehrt, abgemagert und oftmals federlos und wird geschlachtet. Es sei denn, das Huhn wird von der Hühnerrettung NRW gerettet und von tierlieben Menschen wie den Hartmanns adoptiert.
So leben nun Traudel, Käthe, Petra, Hilde, Cordula und Corinna gemeinsam auf der grünen Wiese der Hartmanns, baden im Sand, gackern fröhlich, wenn sie besucht werden oder leckere getrocknete Maden erhalten – oder aber die Vögel ziehen sich auch schon mal zurück.
Greta erzählt, dass die drei geretteten Hühner wesentlich zahmer als die aus der Züchtung sind. Sie lacht, als sie berichtet, dass sie beim Stallreinigen immer aufpassen muss, wo sie hintritt. Denn die Hühner – insbesondere Käthe – kuscheln sich an ihre Beine, suchen Körperkontakt. Traudel zum Beispiel setzt sich sogar auf die Schulter von Sandra Hartmann, so als sei das ihr angestammter Platz. „Das sind einfach nette und lustige Haustiere“, hat die Familie festgestellt und dass sie durchaus entschleunigen. Sandra Hartmann berichtet, dass sie – wenn das Wetter passt – oft mit ihrem Mann abends im Garten sitzt, um die Hühner zu beobachten. Und sie erinnert sich noch gut daran, dass die Tiere zunächst sehr scheu waren, unglaublich lange Krallen hatten, mit denen sie kaum laufen, geschweige denn im Sand scharren konnten. Recht schnell aber hätten sie sich an das freie Leben gewöhnt. Einen Hahn gibt es nicht. Das hat seinen Grund.
„Wir wollen die Nachbarn ja nicht verärgern“, sagt die Familie. Festgestellt haben sie, dass die Hühner wirklich alles fressen und somit der Biomüll wesentlich weniger geworden sei. Toll ist natürlich auch, dass die Eier der glücklichen Hühner natürlich auch super lecker schmecken. „Mehr Bio geht nicht“, sind sich die Hartmanns einig.
Der einzige Wermutstropfen, der auf die Haltung fällt, sei die Lebenserwartung der Legehybriden, denn diese werden meist nur halb so alt
wie Hühner aus einer Züchtung. „Der Verein Hühnerrettung NRW steht derzeit vor einer großen Herausforderung“, berichtet Sandra Hartmann. Denn am 19. Juni und am 17. Juli werden wieder Hühner ausgestallt – 800 an der Zahl, die gerettet werden möchten.
Wer sich dafür interessiert, ein oder mehrere Hühner vor dem Tod zu retten, kann sich auf der homepage: https://huehnerrettung.de über die Bedingungen der Tierrettung informieren.