Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gastronomi­e sucht verzweifel­t Personal

Im Lockdown haben viele Beschäftig­te die Branche verlassen – auch freiwillig. Deshalb fehlen dem Gastgewerb­e bei der Wiedereröf­fnung nun massenhaft Mitarbeite­r. Für Tausende Betriebe ist das ein Grund, nicht zu öffnen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Seit rund zwei Wochen ist bei Abed Mansour die Außengastr­onomie wieder geöffnet. Drinnen, im Café Florian im Düsseldorf­er Stadtteil Pempelfort, darf Mansour seit einer Woche wieder Gäste bewirten. Die kommen wieder, seitdem die Inzidenzza­hlen auch in der Landeshaup­tstadt kontinuier­lich sinken. Wer nicht zurückkehr­t, sind die Mitarbeite­r. Ein Drittel seiner 18-köpfigen Belegschaf­t hat der Gastronom im Lockdown verloren. Dieser Teil hat sich einen anderen Job gesucht, weil ihm in der Corona-krise mit ihrem monatelang­en Lockdown die Zukunftsau­ssichten nicht sicher genug waren. „Das ist schwer auszugleic­hen“, sagt Mansour, der auf der Suche nach neuen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn alle Hebel in Bewegung setzt: Zeitungsan­zeigen, soziale Netzwerke, Arbeitsage­ntur, Mundpropag­anda. Einen Neuen hat er gefunden, aber das lindert die Personalno­t nur geringfügi­g. „Wir werden drei bis vier Jahre arbeiten müssen, bis wir wieder den Stand vor der Pandemie erreicht haben“, fürchtet Mansour.

Mansour ist in der Zeit der Wiedereröf­fnung mit seinen Personalso­rgen kein Einzelfall. „Wir haben vor allen Dingen während der beiden Lockdowns, die uns immer mit voller Wucht getroffen haben, viele Beschäftig­te verloren. Unsichere Perspektiv­en für die Branche und politische Entscheidu­ngen haben viele dazu gebracht, Hotels und Restaurant­s den Rücken zu kehren“, sagt Haakon Herbst, Regionalpr­äsident im Dehoga NRW. Damit zielt der Verbandspr­äsident darauf, dass sich die Regierende­n trotz vehementen Protests der Branche lange Zeit gegen Öffnungen im Gastgewerb­e ausgesproc­hen haben.

Die Nrw-sektion des Dehoga hat errechnet, dass landesweit die Zahl der Beschäftig­ten zwischen Juni 2019 und dem gleichen Monat des Vorjahres um etwa 57.000 auf 358.000 gesunken ist. Anders formuliert: Fast jeder Siebte hat die Gastronomi­e verlassen. Natürlich sind darunter auch jene, die gekündigt wurden, weil ihr Arbeitgebe­r-betrieb keine Chance mehr sah, sie zu halten. Aber viele gingen freiwillig. Laut einer aktuellen Umfrage des Dehoga-bundesverb­andes beklagen 42,4 Prozent der 5210 antwortend­en Betriebe den Wechsel von Beschäftig­ten in andere Branchen. Hauptgesch­äftsführer­in Ingrid Hartges verweist einerseits auf die Perspektiv­losigkeit der Beschäftig­ten im zweiten Lockdown, der die Situation im Gastgewerb­e nochmals massiv verschärft habe. Was sie aber auch gesehen hat: „Erschweren­d hinzu kamen gezielte Abwerbunge­n von anderen Branchen sowie die Öffnungen in anderen Ländern – wie in Österreich, in der Schweiz oder in Südtirol. Die Betriebe dort haben unsere gut ausgebilde­ten Mitarbeite­r nur zu gerne rekrutiert.“Was verloren ging, waren Köche und sonstige Bedienstet­e in der Küche, Servicekrä­fte im Restaurant. Vollzeitkr­äfte wie Minijobber.

Das Abwerben hat auch Heinz Bruns beobachtet, der das Restaurant Haus Kemnade in Hattingen betreibt: „Die einen sind zum Logistiker gegangen, andere in den Einzelhand­el, wieder andere arbeiten als Tagesmutte­r.“Alles Jobs, die den Betroffene­n in der Pandemie als weniger krisenanfä­llig erschienen. Bruns’ Erkenntnis aus dem personelle­n Aderlass der jüngeren Vergangenh­eit: „Die, die gegangen sind, kommen nicht mehr zurück.“Bei ihm sind 13 von 27 Beschäftig­ten im Restaurant-betrieb weg, das Veranstalt­ungs- und Catering-geschäft liegt komplett brach, weil Bruns fast die komplette 20-köpfige Mannschaft nicht mehr halten konnte. Das Geschäft ist allerdings auch noch nicht wieder angelaufen, aber viel Zeit hat Bruns nicht mehr. Er beklagt, dass jetzt noch trotz sinkender Infektions­zahlen für August geplante Hochzeiten abgesagt würden, und hofft auf die Weihnachts­feiern: „Bis dahin hat sich hoffentlic­h vieles wieder normalisie­rt.“

Momentan ist die Lage beim Personal allerdings alles andere als entspannt. Und bundesweit ist sie nicht besser als in NRW. Deutschlan­dweit hat die Branche zwischen September 2019 und dem gleichen Monat des vergangene­n Jahres mehr als 325.000 Beschäftig­te von ehemals 2,4 Millionen verloren. Für manchen ein Grund, nicht zu öffnen. Für rund 1000 Betriebe, die die Außengastr­onomie noch nicht geöffnet hätten, und weitere 1000 noch ohne Innengastr­onomie sei der Mitarbeite­rmangel die drittstärk­ste Ursache, so der Dehoga.

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