Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Gastronomie sucht verzweifelt Personal
Im Lockdown haben viele Beschäftigte die Branche verlassen – auch freiwillig. Deshalb fehlen dem Gastgewerbe bei der Wiedereröffnung nun massenhaft Mitarbeiter. Für Tausende Betriebe ist das ein Grund, nicht zu öffnen.
DÜSSELDORF Seit rund zwei Wochen ist bei Abed Mansour die Außengastronomie wieder geöffnet. Drinnen, im Café Florian im Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort, darf Mansour seit einer Woche wieder Gäste bewirten. Die kommen wieder, seitdem die Inzidenzzahlen auch in der Landeshauptstadt kontinuierlich sinken. Wer nicht zurückkehrt, sind die Mitarbeiter. Ein Drittel seiner 18-köpfigen Belegschaft hat der Gastronom im Lockdown verloren. Dieser Teil hat sich einen anderen Job gesucht, weil ihm in der Corona-krise mit ihrem monatelangen Lockdown die Zukunftsaussichten nicht sicher genug waren. „Das ist schwer auszugleichen“, sagt Mansour, der auf der Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern alle Hebel in Bewegung setzt: Zeitungsanzeigen, soziale Netzwerke, Arbeitsagentur, Mundpropaganda. Einen Neuen hat er gefunden, aber das lindert die Personalnot nur geringfügig. „Wir werden drei bis vier Jahre arbeiten müssen, bis wir wieder den Stand vor der Pandemie erreicht haben“, fürchtet Mansour.
Mansour ist in der Zeit der Wiedereröffnung mit seinen Personalsorgen kein Einzelfall. „Wir haben vor allen Dingen während der beiden Lockdowns, die uns immer mit voller Wucht getroffen haben, viele Beschäftigte verloren. Unsichere Perspektiven für die Branche und politische Entscheidungen haben viele dazu gebracht, Hotels und Restaurants den Rücken zu kehren“, sagt Haakon Herbst, Regionalpräsident im Dehoga NRW. Damit zielt der Verbandspräsident darauf, dass sich die Regierenden trotz vehementen Protests der Branche lange Zeit gegen Öffnungen im Gastgewerbe ausgesprochen haben.
Die Nrw-sektion des Dehoga hat errechnet, dass landesweit die Zahl der Beschäftigten zwischen Juni 2019 und dem gleichen Monat des Vorjahres um etwa 57.000 auf 358.000 gesunken ist. Anders formuliert: Fast jeder Siebte hat die Gastronomie verlassen. Natürlich sind darunter auch jene, die gekündigt wurden, weil ihr Arbeitgeber-betrieb keine Chance mehr sah, sie zu halten. Aber viele gingen freiwillig. Laut einer aktuellen Umfrage des Dehoga-bundesverbandes beklagen 42,4 Prozent der 5210 antwortenden Betriebe den Wechsel von Beschäftigten in andere Branchen. Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges verweist einerseits auf die Perspektivlosigkeit der Beschäftigten im zweiten Lockdown, der die Situation im Gastgewerbe nochmals massiv verschärft habe. Was sie aber auch gesehen hat: „Erschwerend hinzu kamen gezielte Abwerbungen von anderen Branchen sowie die Öffnungen in anderen Ländern – wie in Österreich, in der Schweiz oder in Südtirol. Die Betriebe dort haben unsere gut ausgebildeten Mitarbeiter nur zu gerne rekrutiert.“Was verloren ging, waren Köche und sonstige Bedienstete in der Küche, Servicekräfte im Restaurant. Vollzeitkräfte wie Minijobber.
Das Abwerben hat auch Heinz Bruns beobachtet, der das Restaurant Haus Kemnade in Hattingen betreibt: „Die einen sind zum Logistiker gegangen, andere in den Einzelhandel, wieder andere arbeiten als Tagesmutter.“Alles Jobs, die den Betroffenen in der Pandemie als weniger krisenanfällig erschienen. Bruns’ Erkenntnis aus dem personellen Aderlass der jüngeren Vergangenheit: „Die, die gegangen sind, kommen nicht mehr zurück.“Bei ihm sind 13 von 27 Beschäftigten im Restaurant-betrieb weg, das Veranstaltungs- und Catering-geschäft liegt komplett brach, weil Bruns fast die komplette 20-köpfige Mannschaft nicht mehr halten konnte. Das Geschäft ist allerdings auch noch nicht wieder angelaufen, aber viel Zeit hat Bruns nicht mehr. Er beklagt, dass jetzt noch trotz sinkender Infektionszahlen für August geplante Hochzeiten abgesagt würden, und hofft auf die Weihnachtsfeiern: „Bis dahin hat sich hoffentlich vieles wieder normalisiert.“
Momentan ist die Lage beim Personal allerdings alles andere als entspannt. Und bundesweit ist sie nicht besser als in NRW. Deutschlandweit hat die Branche zwischen September 2019 und dem gleichen Monat des vergangenen Jahres mehr als 325.000 Beschäftigte von ehemals 2,4 Millionen verloren. Für manchen ein Grund, nicht zu öffnen. Für rund 1000 Betriebe, die die Außengastronomie noch nicht geöffnet hätten, und weitere 1000 noch ohne Innengastronomie sei der Mitarbeitermangel die drittstärkste Ursache, so der Dehoga.