Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Drohnen helfen bei der Rehkitz-rettung
Im Frühjahr steht bei Landwirten der erste Schnitt von Grünland an. Im Gras suchen aber Rehkitze und andere junge Wildtiere Schutz. Viele von ihnen sterben im Mähwerk. Um das zu vermeiden, setzt die Kreisjägerschaft auf moderne Technik.
KREIS WESELDREI Millionen Euro hat das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung zur Kitzrettung Mitte März zur Verfügung gestellt. „Da haben wir nicht lange überlegt“, sagt dazu Alfred Nimphuis, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Wesel. Zwei Drohnen für die beiden Rheinseiten sind schon bald im Einsatz. Hinzu kommt rechtsrheinisch eine weitere, die schon länger im Dienst ist. Vorab wurden die Drohnen beim Luftfahrtbundesamt sowie die berechtigten Piloten gemeldet. „Ein Kinderspiel ist das nicht. Der Drohnenpilot braucht einen Führerschein. Neben der sicheren Handhabung müssen verschiedenste Rechtsvorschriften beachtet werden. Dazu gehört unter anderem der Abstand von 150 Metern zum Wohnbestand. All unsere Aktivitäten, wo wir uns aufhalten und wo sich die Drohnen im Einsatz befinden, sind direkt durch GPS vom Luftfahrtbundesamt einsehbar“, so Nimphius.
Fachmann Philipp Helmann vom „Digitalen Reviermanagement“der Firma Schließmann aus Seligenstadt erläutert den Umgang mit der Technik und lässt die Piloten KarlHeinz Göckler, Volker Löker, Johannes Lehmbrock wie Alfred Nimphius für die Praxis trainieren. Aktuell ist Helmann viel unterwegs. „Mit Schulungen für rund 50 Drohnensets haben wir aktuell gut zu tun“, so Helmann. Die rund zwei Kilo schwere Drohne macht beim Überfliegen der Wiese über die Wärmebildkamera Tierkörper aus, die sich in Echtbildübertragung deutlich abzeichnen und meldet die Positionen der Fundstellen. Anders als früher praktiziert, wird bei der Tierrettung das Kitz dann nicht in Gras gepackt. Das Jungtier wird in ein Behältnis wie einen Umzugskarton gelegt und an eine andere Stelle gebracht, damit es nicht zurück ins Feld läuft. Die Ricke befindet sich meist in der Nähe.
Nötig ist die Kitzrettung, da sich das Jungtier bei Gefahr ins Gras drückt und nicht von den totbringenden Schneidwerken flüchtet. Anders sieht es mit den Gelegen von Bodenbrütern wie dem Fasan aus. „Durch das dichte Gefieder gibt die Fasanenhenne oft nicht die nötige Wärme für die Wärmebildkamera ab“, so Nimphius, der sich viel von der Neuanschaffung für den Kreis verspricht. Der Zeitfaktor spielt eine Rolle. Der erste Grasschnitt läuft noch „und durch die kältere Witterung haben nicht alle Ricken ihre Kitze gesetzt. Wir haben noch Arbeit“, so der Vorsitzende. Ein Problem sei im nächsten Jahr die Logistik, da der erste Grasschnitt fast überall gleichzeitig anliegt und Anfragen sich häufen könnten. Nimphius: „Wir denken über eine weitere Anschaffung nach.“
Kitzrettung ist bei Landwirten, Jägern und Naturschützer schon lange ein Thema. Wird ein Kitz bei der Heuernte schwer verletzt oder getötet, liegt mit dem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz ein Straftatbestand vor. Der Grünschnitt der gemähten Fläche ist dann für den Landwirt unbrauchbar. Bisher wurde mit hohem zeitlichem Aufwand die Wiese Tage vor dem ersten Grasschnitt abgesucht und Jungtiere aus dem Gefahrenbereich gebracht. „Mit der modernen Technik haben wir eine reelle Chance. Die Drohnen unterstützen unserer aller Arbeit optimal“, so Nimphius. Für 2019 meldet die Deutsche Wildtierstiftung auf 3845 Hektar abgesuchter Fläche per Drohne die Rettung von 1164 Kitzen.
Auch mit anderen technischen Hilfsmitteln wird versucht, gegen den Tod von Rehkitzen, jungen Feldhasen oder Bodenbrütern vorzugehen. In seinem landwirtschaftlichen Lohnbetrieb hat Diethelm Keesen derzeit mit dem ersten Grünschnitt gut zu tun. Beim Mähen arbeitet er mit sogenannten Wildrettern. Die handgroßen Beschallungseinrichtungen am Mähwerk oder Schlepper sorgen für akustische Signale, um
Jungtiere aus dem dichten Grad zu vertreiben. Doch die Flucht scheitert oft an dem zu breiten Schneidwerk und der Geschwindigkeit beim Mähen.
„Rehkitze drücken sich instinktiv bei Gefahr ins Gras, statt die Flucht zu ergreifen“, so Diethelm Keesen. Deshalb setzt er zusätzlich seinen Jagdhund ein, der das Feld absucht. Eine Unterstützung, die sich mancher Landwirt bei den örtlichen Jägern holt, um den so genannten Mähtod der Kitze zu vermeiden.
Die frühe Kommunikation ist der beste Wildretter. Daher bittet die Kreisjägerschaft die Landwirte, den Mähtermin mindestens 24 Stunden vorher mit dem Jagdpächter abzusprechen. Beim Absuchen mit und ohne Hund geht es um die Beunruhigung des Wildes durch Knistertüten oder Flatterbänder, so dass beispielsweise Ricken ihre Kitze in Sicherheit bringen und nicht auf die zu mähende Wiese zurückkehren.
Keesen ist beim Neukirchener Milchbauer Johannes Leuchtenberg im Einsatz. „Wir haben durch den vielen Regen einen guten ersten Ertrag, der uns eine sichere Basis für den Winter liefert“, so Leuchtenberg. „Im letzten Jahr ist uns um die Zeit das Gras auf dem Halm vertrocknet.“Das Thema Kitzrettung ist ihm wichtig. „Ich mache mich strafbar, wenn ich den Tod eines Säugetieres billigend in Kauf genommen habe“, so Leuchtenberg.