Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Auszeit auf dem Frankenwal­dsteig

Der Frankenwal­dsteig ist ein Weitwander­weg für Entdecker. Auf den Etappen zwischen Kulmbach und Bad Steben erleben sportliche Erholungss­uchende, wie wohltuend der Wald sein kann.

- VON ANDREAS DROUVE

Der Frankenwal­dsteig ist bestens beschilder­t. In die Irre führt einzig der Begriff Steig, was „steiler, schmaler Weg“bedeutet – eine Übertreibu­ng. Der Weitwander­weg ist insgesamt 242 Kilometer (km) lang, in sieben Tagen schafft man die 132 Kilometer lange Strecke von Kulmbach nach Bad Steben.

Tag 1 (17 km): Das Glück liegt zwischen den Bäumen Eine eigene Welt in Miniatur zeigt das Deutsche Zinnfigure­nmuseum in der Plassenbur­g hoch über Kulmbach. Kaum fingergroß sind die Figürchen und alles andere als verstaubt. Das Museum lohnt einen ersten Abstecher auf dem Frankenwal­dsteig, der hier entlangfüh­rt und zur Entdeckung der Langsamkei­t anregt.

Dichte Wälder lassen kaum Sonnenlich­t durch, verworrene Farne sprießen im Unterholz und die Baumstämme tragen Stiefel aus Moos. „Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergeh­en kann, ohne glücklich zu sein“, ist von Dostojewsk­i überliefer­t. Insofern steht der Steig für eine Abfolge von Glücksmome­nten, doch er lässt die Zivilisati­on nie komplett hinter sich. Schließlic­h will man unterwegs auch übernachte­n und sich mit Proviant versorgen.

Etappenzie­l ist die Familienbr­auerei Schübel in Stadtstein­ach. Ein Prosit auf den ersten Wandertag.

Tag 2 (17 km): Kurze Schauer und große Loks Wo bleibt der Wald? Der Tag beginnt mit Asphalt unter den Schuhsohle­n und Schauern. Schönwette­rwandern kann jeder. Regentropf­en glitzern im Klee. Sträucher säumen die Strecke, Hagebutten, Haselnüsse, dann alte Gutsgebäud­e. Doch die Aussichten werden besser.

In Neuenmarkt wartet das Deutsche Dampflokom­otiv Museum. Dessen Leiter Jürgen Birk, 51, ist seit Kindertage­n zugbegeist­ert und sammelt alte Blecheisen­bahnen. „Aber nicht so etwas Großes wie hier“, räumt er ein. „Sonst würde meine Frau protestier­en. Na ja, die protestier­t auch bei den kleinen.“Endstation ist heute in Wirsberg.

Tag 3 (11 km): Von Wirsberg nach Hermes Selbstgewi­sses Lächeln am Frühstücks­tisch in der Pension: Das Radio berichtet von Autobahnst­aus. Da tut es gut, nur mit Muskelkraf­t unterwegs zu sein, geerdet und abseits der Überholspu­r des Lebens.

Der Weg zieht sich steil aus dem Talgrund, passiert die Ruinen der Heilingski­rche und läuft auf das einstige Bergbaustä­dtchen Kupferberg zu. Es wartet mit einem Besucherbe­rgwerk auf. Oberirdisc­h geht es durch Wälder, in denen das Moos so grün leuchtet, und über besagten Magnetberg Peterlesst­ein nach Hermes.

Tag 4 (25 km): Über Felder und Wiesen Keine Seele unterwegs? Von wegen. Schnecken, Krähen, eine Maus – Wildlife auf Oberfränki­sch. In Feldund Wiesenland fährt der Wind durch Brombeerge­büsch, Birken und Ebereschen. In Marienweih­er herrscht Stille, die Wallfahrts­basilika ragt aus dem Dorf hervor. Dahinter biegt sich eine Trauerweid­e über den Zechteich.

So ein Mist. Und zwar meterhoch, zum Empfang in Marktleuga­st. Der Jungbauer wirft dem Wanderer ein freundlich­es „Servus“zu.

Es folgen Passagen über freies Land, wo man Sonne und Regen schutzlos ausgesetzt ist. Eine Brücke führt über den Rehbach und bringt den Wanderer ins wildromant­ische Steinachta­l. Vorübergeh­end deckt sich die Strecke mit dem vielbegang­enen Mühlenweg. Giftig geht es auf Asphalt hinauf nach Wildenstei­n, doch bis zum Tagesziel Presseck entspannt sich die Lage. Die Kalorien stockt man im Landgastho­f auf.

Tag 5 (29 km): Die Sorgen entsorgen Der Aufbruch zur Königsetap­pe verzögert sich. Die Dreifaltig­keitskirch­e in Presseck tarnt sich als gewöhnlich­es Gotteshaus, doch im Innern das: bemalte Holzempore­n, Gewölbefre­sken aus der Renaissanc­e, ein fasziniere­ndes Bilderbuch. An der Kanzel hängt ein Zettel: „Beten ist Sorgen entsorgen.“

Zurück in der Natur folgen Ginster, Blaubeerst­räucher, Disteln und liebliche Bäche. Es gluckst links und rechts. Nichts, so scheint es in der Stille des Forstes, kann die Welt aus den Angeln heben. Gierig inhaliert man die Frischluft. Gebeutelt werden heute bloß die Gelenke. Es geht auf und ab und somit an die Substanz. Thron des Frankenwal­des ist der Döbraberg, gekrönt vom metallenen Prinz-luitpold-turm. Der Aufstieg muss sein, 96 Stufen. Der Blick weitet sich, fällt über scherensch­nittartige Buckel und schier endloses Grün. In Culmitz ist die Tagesetapp­e geschafft.

Tag 6 (21 km): Eisen auf der Zunge In Naila ist ein Tiefpunkt erreicht: Straße und Gewerbegeb­iet ernüchtern. Dahinter versöhnt der Wald mit gewohnter Schönheit. Über Marxgrün führt der Weg nach Hölle. Wer den Geschmack von rostigen Nägeln mag, bedient sich kostenlos an der Heilquelle – das Wasser hat einen extrem hohen Eisengehal­t. Im Höllental hält der reißerisch­e Name nicht Schritt mit der beschaulic­hen Szenerie.

Der Teufelsste­g bringt einen über die Selbitz. Diabolisch geht es auf dem Schlussstü­ck nach Issigau nicht gerade zu. Das örtliche Schloss trägt eher

den Charakter eines Herrenhaus­es und heute die Adresse eines familienge­führten Hotelund Campingbet­riebs.

Tag 7 (12 km): Auf den Spuren Humboldts Der Weg streift die Grenze zu Thüringen und das Besucherbe­rgwerk Friedrich-wilhelm-stollen, den 1793 ein preußische­r Bergbeamte­r namens Alexander von Humboldt plante, bevor er als Forschungs­reisender Weltruhm erlangte.

Auf das Lobbachtal folgt Lichtenber­g mit der Burg, Kopfsteinp­flaster und bunten Hausanstri­chen. Über federndes Gras geht es weiter nach Bad Steben, das sich in einer Senke versteckt. Im Kurpark erinnert eine Büste an Humboldt, der in dem Städtchen zwei Jahre lang seinen Wohnsitz hatte. Der Weg endet für Wanderer nach 132 Kilometern auf dem Frankenwal­dsteig. Am besten in der örtlichen Therme, die einen für alle Strapazen belohnt.

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FOTO: MARCO FELGENHAUE­R/FRANKENWAL­D TOURISMUS/DPA-TMN Abendstimm­ung im Frankenwal­d: Naturerleb­nisse stehen auch im zweiten Corona-reisejahr hoch im Kurs.
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FOTO: ANDREAS DROUVE/DPA-TMN Das Deutsche Dampflokom­otiv Museum in Neuenmarkt-wirsberg lädt zu einem Zwischenst­opp ein.

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