Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Auszeit auf dem Frankenwaldsteig
Der Frankenwaldsteig ist ein Weitwanderweg für Entdecker. Auf den Etappen zwischen Kulmbach und Bad Steben erleben sportliche Erholungssuchende, wie wohltuend der Wald sein kann.
Der Frankenwaldsteig ist bestens beschildert. In die Irre führt einzig der Begriff Steig, was „steiler, schmaler Weg“bedeutet – eine Übertreibung. Der Weitwanderweg ist insgesamt 242 Kilometer (km) lang, in sieben Tagen schafft man die 132 Kilometer lange Strecke von Kulmbach nach Bad Steben.
Tag 1 (17 km): Das Glück liegt zwischen den Bäumen Eine eigene Welt in Miniatur zeigt das Deutsche Zinnfigurenmuseum in der Plassenburg hoch über Kulmbach. Kaum fingergroß sind die Figürchen und alles andere als verstaubt. Das Museum lohnt einen ersten Abstecher auf dem Frankenwaldsteig, der hier entlangführt und zur Entdeckung der Langsamkeit anregt.
Dichte Wälder lassen kaum Sonnenlicht durch, verworrene Farne sprießen im Unterholz und die Baumstämme tragen Stiefel aus Moos. „Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann, ohne glücklich zu sein“, ist von Dostojewski überliefert. Insofern steht der Steig für eine Abfolge von Glücksmomenten, doch er lässt die Zivilisation nie komplett hinter sich. Schließlich will man unterwegs auch übernachten und sich mit Proviant versorgen.
Etappenziel ist die Familienbrauerei Schübel in Stadtsteinach. Ein Prosit auf den ersten Wandertag.
Tag 2 (17 km): Kurze Schauer und große Loks Wo bleibt der Wald? Der Tag beginnt mit Asphalt unter den Schuhsohlen und Schauern. Schönwetterwandern kann jeder. Regentropfen glitzern im Klee. Sträucher säumen die Strecke, Hagebutten, Haselnüsse, dann alte Gutsgebäude. Doch die Aussichten werden besser.
In Neuenmarkt wartet das Deutsche Dampflokomotiv Museum. Dessen Leiter Jürgen Birk, 51, ist seit Kindertagen zugbegeistert und sammelt alte Blecheisenbahnen. „Aber nicht so etwas Großes wie hier“, räumt er ein. „Sonst würde meine Frau protestieren. Na ja, die protestiert auch bei den kleinen.“Endstation ist heute in Wirsberg.
Tag 3 (11 km): Von Wirsberg nach Hermes Selbstgewisses Lächeln am Frühstückstisch in der Pension: Das Radio berichtet von Autobahnstaus. Da tut es gut, nur mit Muskelkraft unterwegs zu sein, geerdet und abseits der Überholspur des Lebens.
Der Weg zieht sich steil aus dem Talgrund, passiert die Ruinen der Heilingskirche und läuft auf das einstige Bergbaustädtchen Kupferberg zu. Es wartet mit einem Besucherbergwerk auf. Oberirdisch geht es durch Wälder, in denen das Moos so grün leuchtet, und über besagten Magnetberg Peterlesstein nach Hermes.
Tag 4 (25 km): Über Felder und Wiesen Keine Seele unterwegs? Von wegen. Schnecken, Krähen, eine Maus – Wildlife auf Oberfränkisch. In Feldund Wiesenland fährt der Wind durch Brombeergebüsch, Birken und Ebereschen. In Marienweiher herrscht Stille, die Wallfahrtsbasilika ragt aus dem Dorf hervor. Dahinter biegt sich eine Trauerweide über den Zechteich.
So ein Mist. Und zwar meterhoch, zum Empfang in Marktleugast. Der Jungbauer wirft dem Wanderer ein freundliches „Servus“zu.
Es folgen Passagen über freies Land, wo man Sonne und Regen schutzlos ausgesetzt ist. Eine Brücke führt über den Rehbach und bringt den Wanderer ins wildromantische Steinachtal. Vorübergehend deckt sich die Strecke mit dem vielbegangenen Mühlenweg. Giftig geht es auf Asphalt hinauf nach Wildenstein, doch bis zum Tagesziel Presseck entspannt sich die Lage. Die Kalorien stockt man im Landgasthof auf.
Tag 5 (29 km): Die Sorgen entsorgen Der Aufbruch zur Königsetappe verzögert sich. Die Dreifaltigkeitskirche in Presseck tarnt sich als gewöhnliches Gotteshaus, doch im Innern das: bemalte Holzemporen, Gewölbefresken aus der Renaissance, ein faszinierendes Bilderbuch. An der Kanzel hängt ein Zettel: „Beten ist Sorgen entsorgen.“
Zurück in der Natur folgen Ginster, Blaubeersträucher, Disteln und liebliche Bäche. Es gluckst links und rechts. Nichts, so scheint es in der Stille des Forstes, kann die Welt aus den Angeln heben. Gierig inhaliert man die Frischluft. Gebeutelt werden heute bloß die Gelenke. Es geht auf und ab und somit an die Substanz. Thron des Frankenwaldes ist der Döbraberg, gekrönt vom metallenen Prinz-luitpold-turm. Der Aufstieg muss sein, 96 Stufen. Der Blick weitet sich, fällt über scherenschnittartige Buckel und schier endloses Grün. In Culmitz ist die Tagesetappe geschafft.
Tag 6 (21 km): Eisen auf der Zunge In Naila ist ein Tiefpunkt erreicht: Straße und Gewerbegebiet ernüchtern. Dahinter versöhnt der Wald mit gewohnter Schönheit. Über Marxgrün führt der Weg nach Hölle. Wer den Geschmack von rostigen Nägeln mag, bedient sich kostenlos an der Heilquelle – das Wasser hat einen extrem hohen Eisengehalt. Im Höllental hält der reißerische Name nicht Schritt mit der beschaulichen Szenerie.
Der Teufelssteg bringt einen über die Selbitz. Diabolisch geht es auf dem Schlussstück nach Issigau nicht gerade zu. Das örtliche Schloss trägt eher
den Charakter eines Herrenhauses und heute die Adresse eines familiengeführten Hotelund Campingbetriebs.
Tag 7 (12 km): Auf den Spuren Humboldts Der Weg streift die Grenze zu Thüringen und das Besucherbergwerk Friedrich-wilhelm-stollen, den 1793 ein preußischer Bergbeamter namens Alexander von Humboldt plante, bevor er als Forschungsreisender Weltruhm erlangte.
Auf das Lobbachtal folgt Lichtenberg mit der Burg, Kopfsteinpflaster und bunten Hausanstrichen. Über federndes Gras geht es weiter nach Bad Steben, das sich in einer Senke versteckt. Im Kurpark erinnert eine Büste an Humboldt, der in dem Städtchen zwei Jahre lang seinen Wohnsitz hatte. Der Weg endet für Wanderer nach 132 Kilometern auf dem Frankenwaldsteig. Am besten in der örtlichen Therme, die einen für alle Strapazen belohnt.