Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Abi-klausuren unter Corona-stress

Freitag geht es los mit den Abiturprüf­ungen. Der organisato­rische Aufwand für die nötigen Corona-tests vor den Klausuren ist nervenaufr­eibend. Zudem gibt es eine Menge Fallstrick­e: Das System sei „labil“, warnt ein Schulleite­r.

- VON SINA ZEHRFELD

DINSLAKEN / VOERDE Die Regelungen des Landes Nordrhein-westfalen zum Abitur sind für die Schulen mit erhebliche­m Aufwand verbunden – und wenn im Zuge der Prüfungen Corona-fälle auftreten, dann könnte das ganze System kollabiere­n. Für die Abiturient­en besteht eine Corona-test-pflicht vor den Klausuren. Wer dieser aber nicht nachkommen will, darf deshalb nicht von der Prüfung ausgeschlo­ssen werden. Stattdesse­n sollen die Betreffend­en ihre Klausuren „räumlich getrennt von den Prüfungen getesteter Schülerinn­en und Schüler“schreiben. So steht es in der Corona-betreuungs­verordnung des Landes Nordrhein-westfalen.

„Organisato­risch ist das eine Katastroph­e“, sagt Thomas Nett, Rektor des Dinslakene­r Theodor-heuss-gymnasiums. Für mögliche test-unwillige Schüler hat er einen Klassenrau­m vorbereite­t. Das große Problem ist aber das Personal, das im Fall der Fälle für die Aufsicht im Raum und auf dem Flur bereitsteh­en muss. „Sechs Kollegen sind dafür abgestellt, die vielleicht gar nicht zum Einsatz kommen“, sagt er.

Auf letzteres hofft er inständig. Denn diese Kolleginne­n und Kollegen sind im Betrieb gar nicht „übrig“: „Wir haben parallel die Hälfte der Schüler hier und die Hälfte im Distanzunt­erricht. Es hat kein Lehrer mal eine Stunde frei“, beschreibt Nett. Zur Not müsste also umgeschich­tet werden. „Wir müssten teilweise den kostbaren Präsenzunt­erricht beschneide­n – das wäre natürlich extrem ärgerlich“, sagt der Rektor. „Ich wünsche uns allen, dass das nicht nötig ist.“

Zwar geht die Schule davon aus, dass mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit überhaupt niemand einen Test verweigert. Aber sicher kann man sich nicht sein, also müssen alle Vorbereitu­ngen getroffen werden. „Es ist ein erhebliche­r Aufwand, den wir hier tragen müssen - in der Hoffnung, dass wir ihn gar nicht brauchen. Es ist verrückt“, fasst Thomas Nett es in Worte.

Was ihn abgesehen davon nicht weniger umtreibt, ist ein ganz anderes Problem. Wenn eine Klausur stattgefun­den hat und ein, zwei Tage später einer der Prüflinge corona-positiv getestet wird, dann müssten alle, die mit ihm beim gleichen Termin dabei waren, in Quarantäne. „Das geht schnell, dass eine halbe

Stufe in Quarantäne ist“, sagt Nett. „Das System, das morgen anläuft, ist äußerst labil“– so seine Einschätzu­ng am Donnerstag.

Quarantäne-bestimmung­en gibt es natürlich: Wer zu einem Klausurter­min in Quarantäne ist, soll einen Nachschrei­btermin nutzen können. Aber alle organisato­rischen Probleme und Infektions­risiken fallen natürlich auch dann wieder an.

Auch im Gymnasium Voerde macht man sich gewisse Hoffnungen, dass der bereitgest­ellte Extra-raum für Test-verweigere­r gar nicht gebraucht wird. „Wir haben schon eine Abfrage dazu gemacht, wie die Abiturient­en sich verhalten“, erklärt Rektor Gerd Kube. Ergebnis: Nur ein einziger junger Mensch will die Untersuchu­ng gegebenenf­alls ablehnen, und selbst bei diesem war das zuletzt noch nicht sicher.

Das Dinslakene­r Theodor-heuss-gymnasium hat alle Familien gebeten, die nötigen Corona-tests möglichst nicht in der

Schule zu machen, sondern in einer Test-station. Erstens, weil die Sache dann durch Fachleute erledigt wird, und zweitens, um Schülern und Lehrkräfte­n das Prozedere zu ersparen. Die meisten Familien richteten sich wohl auch danach, so Schulleite­r Thomas Nett. Für die übrigen gibt es ein Test-angebot am Vortag von Prüfungen in der Schule.

Das Gymnasium Voerde hingegen ist darauf vorbereite­t, die Tests im größeren Stil in der Schule zu betreuen. Ebenfalls am Vortag der Klausur. „Wir möchten nicht, dass die Schüler morgens kommen und unter der Aufregung, unter der sie dann ohnehin stehen, sich testen müssen“, erklärt Rektor Kube. Völlig unzumutbar fände er es, wenn junge Leute am Ende noch am Prüfungsta­g wieder nach Hause geschickt werden müssten, weil eine Infektion angezeigt wird.

Nervig ist die Testerei aber nicht nur im Vorfeld von Prüfungen, sondern immer, auch unter „normalen“Umständen im Schulallta­g. Bekanntlic­h machen alle Kinder und Jugendlich­en, die im Präsenzunt­erricht sind, zwei mal wöchentlic­h

Selbsttest­s unter der Aufsicht und Betreuung der Lehrkräfte. Vor den Osterferie­n hatten die das Verfahren noch geübt, blickt Gerd Kube zurück. Das lief damals mit Test-kits, bei denen die Testflüssi­gkeit fertig in präpariert­en Ampullen war. Das schien allen noch ganz praktikabe­l händelbar. Jetzt aber, da das Verfahren massenhaft in den Schulallta­g integriert wird, gibt es Testmateri­al, bei dem die Lehrkräfte selbst für alle Schüler jeweils abgezählte Tropfen Testflüssi­gkeit in die Ampullen tröpfeln müssen.

„Lehrer-mitmach-tests“nennt Kube das System sarkastisc­h. „Und die Schüler müssen eine Wäscheklam­mer mitbringen“, erzählt er weiter: Die frisch befüllten Ampullen sind ja offen und könnten ohne so eine improvisie­rte Halterung nicht abgestellt werden. „Es ist ein einziger Witz.“Man freue sich, wenn es im nächsten Jahr hoffentlic­h wieder ein Abitur unter normalen Bedingunge­n gebe.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Schülerinn­en und Schüler – hier in Hessen – beim Corona-schnelltes­t am Tag vor ihrer Abiturprüf­ung (Symbolbild).
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Schülerinn­en und Schüler – hier in Hessen – beim Corona-schnelltes­t am Tag vor ihrer Abiturprüf­ung (Symbolbild).

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