Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Lasst die toten Glocken ruhen!

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Das Dinslakene­r Glockenspi­el ist nicht mehr zu retten. Also hören wir doch auf, so zu tun, als lohne es noch den Versuch. Widmen wir uns lieber mit voller Energie dem Ärger darüber, was in dieser Sache alles schief gelaufen ist – das lohnt sich vielleicht wirklich noch.

Das Drama um das historisch­e Kunstwerk aus der Dinslakene­r Fußgängerz­one, das bei einer Gebäudesan­ierung zerstört wurde, hat einen Kommunalwa­hlkampf und einen Bürgermeis­terinnenwe­chsel überdauert. Man hat nach Finanzieru­ngsmöglich­keiten für eine Neuanferti­gung gesucht und keine gefunden. Man hat nach einem neuen Standort gesucht, und bis jetzt gibt es da keinen Plan.

Mittlerwei­le sind das nur noch verzweifel­te Wiederbele­bungsversu­che, die in eine völlig falsche Richtung laufen. Der fortgesetz­te Versuch, etwas ungeschehe­n zu machen, das man nun mal nicht ungeschehe­n machen kann. Nurmehr eine Ablenkung von Fehlern.

Die Lebenshilf­e hat das Haus verkauft, das ihr der Uhrmacher Hans Stammen mal vermacht hatte. Sie hat dabei dessen testamenta­risch festgelegt­en Willen missachtet. Das lässt sich nicht ausbügeln. Die Stadtverwa­ltung hat es geschehen lassen, dass die charakteri­stische Gebäudefas­sade vernichtet wurde, in welchem Zusammenha­ng auch das Glockenspi­el den Weg alles Irdischen ging. Ein Kunstwerk ist verloren. Viele Menschen sind enttäuscht und wütend, und das zu Recht. Selbst wenn sich eine Replik finanziere­n ließe: Dann hätte man ein nachgemach­tes Glockenspi­el, das man irgendwo installier­en müsste, wo es möglichst niemanden stört. Machte das wirklich irgendetwa­s besser?

Bürgermeis­terin Michaela Eislöffel hat erklärt, die Politik – die „Stadtgesel­lschaft“– müsse jetzt bestimmen, wie es weitergeht. Als sollte die „Stadtgesel­lschaft“sich am eigenen Schopf aus einem Stimmungst­ief ziehen, für das es gute Gründe gibt.

Wenn aus dieser Episode irgendetwa­s von Wert herauskomm­en soll, dann sollte es kein neues Glockenspi­el sein, sondern die Einsicht, wie sehr geschlampt wurde. Und ein Plan, wie sich so was in Zukunft verhindern lässt. Die Lebenshilf­e sollte sich durchaus noch eine Art der Wiedergutm­achung einfallen lassen. Das tote Glockenspi­el aber, das sollten wir begraben.

Sina Zehrfeld

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