Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kataloniens Separatisten sind gespalten
Am Sonntag wählt die Region ein neues Parlament. Die Befürworter der Einheit des Landes hoffen auf einen Sieg, weil ihre Gegner uneins sind.
BARCELONA Die Nacht verbringt er im Gefängnis. Dort muss er eine Haftstrafe wegen der Organisation des ungesetzlichen Unabhängigkeitsreferendums 2017 absitzen. Doch tagsüber öffnet sich für den katalanischen Separatistenchef Oriol Junqueras die Zellentür: offener Vollzug. Und er kann auf der Straße Wahlkampf machen. An diesem Sonntag wird man sehen, wie stark die regionale Separatistenbewegung ist: Die 7,6 Millionen Katalanen sind aufgerufen, ein neues Regionalparlament zu wählen. Ein Parlament, in dem der antispanische Block bisher eine knappe Vorherrschaft hat.
Junqueras darf zwar nicht kandidieren. Aber er nutzt den Freigang, um draußen für die Abspaltung Kataloniens vom Königreich zu trommeln. „Spanien bremst den Fortschritt der Katalanen“, sagt Junqueras, der Vorsitzende der großen Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke). Die Gefängnisstrafe, zu der er 2019 verurteilt worden war, habe ihn in seiner Überzeugung bestärkt: „Die Haft ist Teil des Weges in die Freiheit meines Landes.“Er meint die Freiheit einer unabhängigen „Katalanischen Republik“.
Dieses Mal könnten die Karten neu gemischt werden. Spaniens sozialistischer Premier Pedro Sánchez hat einen seiner populärsten Minister als prospanischen Spitzenkandidaten nach Katalonien entsandt: Salvador Illa war bisher Sánchez’ Gesundheitsminister und oberster Corona-bekämpfer. Illa, ein geborener Katalane, fiel dabei durch Besonnenheit und Dialogfähigkeit auf. „Das ist der Mann, den Katalonien braucht“, lobt Sánchez. Er hofft, mit
Illa die Regierung in Barcelona erobern und so die Katalonien-krise entschärfen zu können. Es werden ein Kopf-an-kopf-rennen und eine schwierige Regierungsbildung erwartet. Siegen heiße nicht unbedingt auch regieren, warnen deswegen die Wahlforscher.
Doch Illa könnte davon profitieren, dass die Separatisten gespalten sind – in einen fundamentalistischen und einen pragmatischen Flügel. Die Hardliner, die mit einseitigen und auch ungesetzlichen Mitteln die Unabhängigkeit erzwingen wollen, werden von Kataloniens
Ex-ministerpräsident Carles Puigdemont angeführt. Dem pragmatischen und moderaten Separatistenlager steht Junqueras mit seiner Partei Esquerra vor. Junqueras hatte sich nach dem illegalen Referendum nicht wie Puigdemont der Justiz entzogen. Und er lehnt heute unilaterale Schritte Richtung Unabhängigkeit ab. Die Unabhängigkeit könne nur mit einem ausgehandelten Referendum erreicht werden – auch wenn der Weg lang sei. Wegen dieses Kurswechsels bezeichnet Puigdemont seinen früheren Weggefährten Junqueras nun als „Verräter“.