Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Brücke in die Berufsausbildung
Die Einstiegsqualifizierung ist ein Langzeitpraktikum im Betrieb von mindestens sechs Monaten Dauer.
KREIS WESEL Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Facharbeiter, die Dirk Hasselkamp für seinen Elektrotechnikbetrieb in Dinslaken brauchen könnte, sind nicht zu bekommen. Daher setzt der Firmenchef verstärkt auf die Ausbildung eigener Nachwuchskräfte. Jedes Jahr stellt er drei bis vier Auszubildende ein. Von den 40 Mitarbeitern (davon sechs im Büro) sind 15 Auszubildende. Er gibt auch Jugendlichen eine Chance, die keine Lehrstelle ergattern konnten und deren Vermittlungsperspektiven nicht die besten sind. Seit fünf Jahren macht die Firma Elektrotechnik Hasselkamp bei der betrieblichen Einstiegsqualifizierung mit, die von der Agentur für Arbeit gefördert wird.
„Die betriebliche Einstiegsqualifizierung ist die Brücke in die Berufsausbildung“, sagt Michael Rhiem vom Jobcenter in Dinslaken. Gedacht ist dieses spezielle Angebot für die schwächeren, unversorgten Bewerber, die auch nach dem 30. September, im Anschluss an die Nachvermittlungsaktionen, keine Ausbildungsstelle gefunden haben, beispielsweise weil ihr Schulzeugnis nicht das beste ist. „Das müssen keine schlechten Auszubildenden sein, sie können sich sogar als Top-handwerker herausstellen, die nicht die Chance hatten, ihr Talent zu beweisen“, sagt Rhiem. Durch die Einstiegsqualifizierung haben die Betriebe die Möglichkeit, einen Bewerber näher kennenzulernen und zu sehen, wie er sich im Berufsalltag macht, wie leistungsfähig er tatsächlich ist und ob er zu dem Unternehmen und zum Team passt.
Hasselkamp gibt solchen Jugendlichen gern eine Chance in seinem Betrieb, denn er weiß, dass ein schlechtes Zeugnis nicht bedeutet, dass jemand dumm ist. „Wir brauchen nicht nur die Genies, die die Baustelle leiten, sondern auch Leute, die die Arbeit machen“, sagt der Unternehmer. Wichtig ist für ihn, dass die Jugendlichen Interesse an dem Beruf mitbringen, eine Basis, beispielsweise bei den Grundrechenarten, vorhanden ist, sie einen vernünftigen Eindruck machen und sie sich in der Firma einbringen wollen. „Warum sollte man ihnen dann keine Chance geben“, fragt Dirk Hasselkamp. Er weiß, dass etliche Jugendliche in der Theorie nicht so gut sind, dann aber in der Praxis ihre Welt gefunden haben, wenn man ihnen die Chance dazu gegeben hat.
Interessant ist die Einstiegsqualifizierung für Arbeitgeber, weil sie finanziell durch die Arbeitsagentur gefördert wird. Die Erfahrung, die Dirk Hasselkamp mit Teilnehmern der Einstiegsqualifizierung gemacht hat, waren so gut, dass er sie später übernommen und ausgebildet hat. Und nach der Ausbildung, die dreieinhalb Jahre dauert, steht einer Festeinstellung in dem Dinslakener Elektrotechnikbetrieb Hasselkamp nichts im Wege.
Die Einstiegsqualifizierung ist ein betriebliches Langzeitpraktikum von mindestens sechs bis maximal zwölf Monaten Dauer, wie Michael Rhiem vom Jobcenter erläutert. Den Teilnehmern sollen in dieser Zeit berufliche Fähigkeiten vermittelt werden. Sie laufen in ihrem Betrieb wie Auszubildende im ersten Lehrjahr mit und gehen auch zur Berufsschule, aber alles auf Probe. Ziel ist die Übernahme der Teilnehmer in die Ausbildung, nach der erfolgreichen Einstiegsqualifizierung starten sie dann, wenn keine zwingenden Gründe dagegen sprechen, ins zweite Ausbildungsjahr.
Für den heute 26-jährigen Dominic Freydorfer war die Einstiegsqualifizierung bei der Firma Hasselkamp die Brücke in die Berufsausbildung. Vor vier Jahren fing er dort an, nachdem er vorher arbeitslos war und sich in einem „tiefen Loch“befand, wie er selbst rückblickend über eine für ihn schwierige Zeit sagt.
Aus diesem Loch wollte er unbedingt heraus und sich beweisen. Daher nutzte er die Chance, die ihm mit der Einstiegsqualifizierung geboten wurde. Freydorfer, der seinen Realschulabschluss auf dem Berufskolleg gemacht hatte, überzeugte bei der Arbeit, passte ins Team des
Dinslakener Betriebs und wurde dann in die Ausbildung übernommen, die er im Januar dieses Jahres erfolgreich als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik abschloss. Er wurde von Dirk Hasselkamp übernommen, arbeitet seither als Geselle in dem Elektrotechnikbetrieb, ist dort rundum zufrieden – und sein Chef mit ihm ebenfalls.
„Die Einstiegsqualifizierung ist für alle Beteiligten ein Gewinn“, ist Michael Rhiem vom Jobcenter überzeugt.