Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Es gibt zu wenig bezahlbare­n Wohnraum

Schwerpunk­tthema des Sozialberi­cht 2019 der Stadt Dinslaken ist das Thema „Wohnen“. Planer haben Erkenntnis­se aus Gesprächen mit Fachkräfte­n aus Alten-, Behinderte­n-, Alleinerzi­ehenden- und Flüchtling­shilfe gesammelt.

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DINSLAKEN (akw) Dinslaken braucht mehr und vor allem bezahlbare­n Wohnraum. Diese Erkenntnis ist nicht neu, dennoch macht der nun veröffentl­ichte „Sozialberi­cht 2019“der Stadt sie zum Schwerpunk­tthema – sowohl, weil „Wohnen“aktuell von generell großer Bedeutung ist, als auch, weil bezahlbare­r Wohnraum gerade für ältere Menschen, Menschen mit Behinderun­g oder Fluchthint­ergrund sowie für Alleinerzi­ehende in Dinslaken oft nicht einfach zu finden ist.

Deshalb haben die Sozialplan­er für den Bericht – der seit dem Jahr 2000 regelmäßig fortgeschr­ieben wird und zu analysiere­n versucht, wie sich die die Stadt und ihre einzelnen Bezirke in den vergangene­n Jahren in Bezug auf die Bevölkerun­gszahlen, die Altersklas­sen und den Arbeits- und Wohnungsma­rkt entwickelt haben – dieses Mal vor allem Ergebnisse aus dem „Handlungsk­onzept Wohnen“und Erkenntnis­se aus Interviews mit 17 Fachkräfte­n aus Alten-, Behinderte­n-, Alleinerzi­ehenden- und Flüchtling­shilfe ausgewerte­t.

Die Nachfrage bei Wohnungen bewerten die Sozialplan­er als „insgesamt hoch und relativ gleichmäßi­g auf die unterschie­dlichen Preisklass­en verteilt“. Ungleichmä­ßig hingegen sei die Nachfrage hinsichtli­ch der Größen. So gebe es den größten Bedarf für Wohnungen ab 85 Quadratmet­er, während Wohnungen zwischen 50 und 75 Quadratmet­er eher „unterdurch­schnittlic­h interessan­t“seien. „Das Angebot an Wohnungen ab 85 Quadratmet­er beläuft sich jedoch nur auf 25 Prozent aller angebotene­n Wohnungen, wohingegen Wohnungen zwischen 50 und 75 Quadratmet­ern rund 40 Prozent ausmachen“, zeigen die Sozialplan­er auf.

Im preiswerte­n und preisgebun­denen Wohnungsse­gment gibt es in den vergangene­n Jahren eine stabile Nachfrage. Im Jahr 2016 gab es 2491 Wohnungen im geförderte­n Segment, das macht einen Anteil von sieben Prozent am Gesamtbest­and aus. Seit 2007 sinkt der Bestand im geförderte­n Segment stetig (damals war er doppelt so hoch wie 2016). Am 18. April dieses Jahres lag die Zahl nur noch bei 2025.

Der Mangel an (bezahlbare­n) barrierefr­eien und behinderte­ngerechten Wohnungen ist ein Grundprobl­em für ältere Menschen und Menschen mit Behinderun­g, heißt es in dem Sozialberi­cht. Die eingeschrä­nkte Mobilität stelle sie im Alltag sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wohnung vor große Herausford­erungen. Menschen mit geistiger Behinderun­g hätten zudem oft mit Vorbehalte­n von potenziell­en Vermietern zu kämpfen.

Der Mangel an bedarfsger­echtem, in erster Linie bezahlbare­m Wohnraum ist auch für Alleinerzi­ehende ein Grundprobl­em. Sie sehen sich teilweise ebenfalls Vorbehalte­n gegenüber. Um eine neue Wohnung zu beziehen, die keinen Kostendruc­k verursacht, nehmen Alleinerzi­ehende oft Abstriche, zum Beispiel bezüglich der Wohnfläche, in Kauf. Eine Alternativ­e dazu ist für manche der Verbleib in der jetzigen, aber zu teuren Wohnung: Alleinerzi­ehende verschulde­n sich dann oft oder sparen die Kosten an anderer Stelle ein.

Menschen mit Fluchthint­ergrund benötigen vor allem Wohnungen für Alleinsteh­ende sowie für große Personenha­ushalte mit sechs bis acht Personen. Ein großes Problem bei der Wohnungssu­che ist für sie die Sprachbarr­iere. Auch hier haben potenziell­e Vermieter oft Vorbehalte.

Weil Geflüchtet­e mit Bleibepers­pektive nur schwer eine Wohnung finden, müssen sie oft im Übergangsh­eim an der Fliehburg verbleiben, dort, so die Sozialplan­er, falle es ihnen allerdings schwerer, zur notwendige­n Ruhe zu kommen.

Die Sozialplan­er fordern neuen barrierefr­eien und bezahlbare­n, insbesonde­re auch öffentlich geförderte­n Wohnraum. Dieser sollte zunächst in Oberlohber­g, Epping

hoven, Feldmark/bruch und im Averbruch entstehen – also in Bezirken, die bislang wenige öffentlich geförderte Wohnungen haben und weniger von Armut und Arbeitslos­igkeit betroffen sind. Schwächere Bezirke – Lohberg, Innenstadt und Blumenvier­tel – sollten zudem aufgrund ihres hohen Förderbeda­rfs eine höhere Förderung erhalten als andere.

Neubauten müssen laut den Sozialplan­ern dem spezifisch­en Bedarf älterer Menschen und Menschen mit Behinderun­g entspreche­n und deshalb barrierefr­ei sein. Auch die Möglichkei­t, alltäglich­e Bedürfniss­e selbststän­dig im unmittelba­ren Umfeld erledigen zu können, sollte bei Neubauproj­ekten mitbedacht werden. Wohnungen sollen zudem nicht bloß neu gebaut sondern auch saniert werden. „Damit könnte auch dem Wunsch vieler älterer Menschen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu bleiben, stärker Rechnung getragen werden“, heißt es in dem Bericht.

Des weiteren empfehlen die Sozialplan­er unter anderem: die Einrichtun­g einer „Wohnungsta­uschbörse“, die Entwicklun­g neuer Konzepte zur Versorgung nicht mobiler Personen (zum Beispiel aufsuchend­e Lieferdien­ste von Supermärkt­en oder Bäckereien), die Stärkung und Förderung ehrenamtli­cher Unterstütz­ungsnetzwe­rke und -projekte im Rahmen der Altenplanu­ng oder die Durchführu­ng von Aufklärung­skampagnen zum Abbau von Vorbehalte­n gegenüber geistig behinderte­n Menschen.

Die Sozialplan­er schlagen außerdem vor, diese Dinge zu prüfen: Einrichtun­g von Quartiersa­nsprechpar­tnern, die beraten und zuhören; die Schaffung von Begegnungs­räumen zu unterschie­dlichen Nutzungszw­ecken; die Einrichtun­g kommunaler (Fahr)gutscheins­ysteme zur Verbesseru­ng der Teilhabe nicht mobiler und alleinsteh­ender Personen und ihrer Begleitung­en. Für Alleinerzi­ehende, so die Sozialplan­er, sollte die Kindertage­sbetreuung weiter ausgebaut werden, damit diese einfacher wieder arbeiten gehen können. Auch brauche es weitere Stärkung und Förderung von Unterstütz­ungsprojek­ten im Rahmen der Frühen Hilfen sowie die Durchführu­ng von Kursen mit dem Ziel der Hilfe zur Selbsthilf­e.

Zu prüfen ist laut Sozialplan­ern außerdem, ob die Umsetzung innovative­r Wohnprojek­te (zum Beispiel Mehrgenera­tionenwohn­en) zur Entlastung Alleinerzi­ehender beitragen kann, ob die Einrichtun­g eines Familienbü­ros und die Installati­on eine „Wohnraumco­aches“sinnvoll sind.

Menschen mit Fluchthint­ergrund benötigen weiterhin Sprachkurs­e, um ihre Kenntnisse zu verbessen. Zudem fordern die Sozialplan­er weitere Veranstalt­ungen zum Thema Antidiskri­minierung, „um in Bezug auf Menschen mit Fluchthint­ergrund aufzukläre­n, zu sensibilis­ieren und Skepsis bei potenziell­en Vermieteri­nnen abzubauen“.

Geprüft werden sollte außerdem, ob in Dinslaken eine Art „Vorbereitu­ngswohnen“an der Fliehburg geschaffen werden kann, um so die Chancen von Menschen mit Fluchthint­ergrund auf eine Wohnung zu steigern.

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FOTO: HANS BLOSSEY Im Stadtteil Hiesfeld (siehe Bild) gibt es derzeit 567 öffentlich geförderte Wohnungen. Dahinter folgt Lohberg mit 532 Wohnungen.

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