So geht Borussias Transfer-Sommer weiter
Mit drei Neuen hat Borussia eine gute Grundlage für den weiteren Sommer geschaffen. Welche Schritte die nächsten sein könnten, was eher nicht passieren wird und was Roland Virkus im Auge behalten muss.
Borussias Geschäftsführer Stephan Schippers erinnert gerne indirekt an die frühere Fernsehshow „Wünsch Dir was“, die von 1969 bis 1972 im ZDF lief. Nicht ganz so lang ist es her, dass ein Bundesligakader zum Auftakt der Vorbereitung größtenteils fertiggestellt werden konnte und der Trainer mit allen Zugängen für ein Foto posieren konnte, aber vorbei sind diese Zeiten auch schon eine Weile. Schippers ist lieber Realist als Idealist, weshalb eine von ihm konzipierte Sendung eher „So ist es“heißen würde. Den Satz spricht er gerne aus, wenn jemand in eine allzu idealistische Szenarienwelt abzudriften droht.
Schippers und Sportchef Roland Virkus sind seit beinahe zweieinhalb Jahren Geschäftsführer-Kollegen, der eine gibt das Budget frei für Verstärkungen, der andere wählt die Kandidaten aus. So hat Borussia bislang Philipp Sander für rund eine Million Euro von Holstein Kiel geholt, Kevin Stöger ablösefrei vom VfL Bochum und Tim Kleindienst für etwa sieben Millionen vom 1. FC Heidenheim.
Bei „Wünsch dir was“wäre klar, was nun passieren müsste: Für Manu Koné würde zeitnah ein Angebot über mindestens 20 Millionen Euro eintrudeln, deutlich vor dem Start des olympischen Fußballturniers wäre alles geregelt. Ebenso fix gäbe es einen ernsthaften Interessenten, der Nico Elvedi für einen hohen einstelligen Millionenbetrag abkauft. „Natürlich wollen wir nach den ersten Transfers auch gerne noch etwas im Defensivbereich tun, darauf liegt unser Fokus“, sagte
Virkus am Montag in einem Interview auf der Vereinshomepage. „Da haben wir selbstverständlich einige Kandidaten im Auge.“
Im Nu könnte Borussia einen davon verpflichten als Elvedi-Nachfolger und mit dem Gewinn bei Koné die bisherige Transferbilanz ausgleichen sowie das Eigenkapital stärken. Und vielleicht wäre auch noch etwas übrig, um für Luca Netz einen Herausforderer auf der linken Abwehrseite zu beschaffen, Lukas Ullrich könnte genauso verliehen werden wie Grant-Leon Ranos und Jan Olschowsky. Ein möglicher Verkauf von Joe Scally nach der Copa América oder weitere, dann schon eher überraschende Abgänge kämen „on top“.
Aber ganz so flott und einfach wird es nicht über die Bühne gehen. „Manchmal muss man Geduld haben, bis sich ein Fenster öffnet“, sagte Virkus, den die vergangenen beiden Sommer bereits geschult haben in dieser Disziplin. 2022 kamen Nathan Ngoumou und Julian Weigl an den letzten Tagen der Transferperiode, 2023 wurde Jordan Siebatcheu noch ganz spät ausgeliehen. Unter Max Eberl war in 13 Jahren lediglich Nico Schulz nach dem ersten Spieltag verpflichtet worden. Aber diese Zeiten liegen gefühlt so lange zurück wie die Ausstrahlung von „Wünsch Dir was“.
Die To-Do-Liste für die nächsten zwei Monate lässt sich nicht glasklar priorisieren. Klargestellt hat Virkus im Kontext der Gerüchte um Christos Tzolis von Fortuna Düsseldorf bereits, dass ein Linksaußen erst mal keine hohe Priorität genießt.
Robin Hack genießt das Vertrauen, rechts sind Franck Honorat und Nathan Ngoumou da, die beide nach links ausweichen können. Gleiches gilt für Tomas Cvancara, der im Sturmzentrum durch den Kleindienst-Transfer erstmal zum Herausforderer zurückgestuft wurde – was möglicherweise befreiend wirkt. Dazu ist Top-Talent Charles Herrmann an den Profikader angedockt, er soll sich aber erst einmal über die U23 anbieten. Wenn, dann dürfte hier allenfalls im Transfer-Endspurt noch etwas passieren.
Nach Informationen unserer Redaktion will Borussia nächste Saison vor allem im 4-3-3 oder 4-2-3-1 auflaufen, für maximal drei Positionen im Mittelfeld gibt es nach jetzigem Stand acht Spieler im Kader, so viele, dass man gut überlegen muss, ob nicht noch einer vergessen wurde: Julian Weigl, Christoph Kramer, Philipp Sander, Rocco Reitz, Florian Neuhaus, Oscar Fraulo, Manu Koné und Kevin Stöger. Selbst wenn der Vertrag mit Kramer aufgelöst wird (da gibt es weiterhin keine Entscheidung) und Fraulo noch einmal verliehen, wäre kein Bedarf da. Und dann schwebt Alassane Plea, der den Klub verlassen könnte, auch noch etwas frei herum in der Kaderstruktur.
Weshalb Gerüchte um eine Leihe von Fabian Rieder – abgesehen von der Tatsache, dass er sich nun dem VfB Stuttgart anschließt – zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn ergeben haben. Gleiches gilt für Ao Tanaka, dessen Verpflichtung aus Düsseldorf, wie vor vier Wochen berichtet, keine Priorität hat. Fraglich ist auch,
ob der „Reparierer“für die Sechserposition in diesem Sommer kommt, beginnen wird Trainer Gerardo Seoane das Stabilisierungs-Projekt ohnehin erst einmal mit den vorhandenen Spielern.
In der Abwehr wurde David Affengruber von Sturm Graz zuletzt als konkretester Kandidat gehandelt. Der Österreicher hat noch keinen neuen Vertrag unterzeichnet und wäre ablösefrei, nach Informationen unserer Redaktion hat sich Borussia mit ihm beschäftigt, Stand jetzt ist er aber nicht der gesuchte Typ fürs Zentrum.
Nach den Abgängen von Tony Jantschke und voraussichtlich Max Wöber hat Gladbach noch vier Innenverteidiger im Kader, was erst einmal ausreichen würde, wenn primär mit einer Viererkette gespielt werden soll. Fabio Chiarodia wird zugetraut, deutlich mehr Einsatzminuten als in der abgelaufenen Saison zu sammeln, eine Ergänzung auf dieser Position müsste erst einmal mehr Potenzial haben als der 19-Jährige. Ohne Wöber und Elvedi wäre Ko Itakura der designierte Abwehrchef, bei ihm bahnt sich momentan kein Abschied an.
Unabhängig von den Finanzen muss Virkus mit Sportdirektor Nils Schmadtke und Scouting-Chef Steffen Korell auch die Kadergröße im Blick behalten – damit Top-Talente wie Niklas Swider, Kilian Sauck oder Winsley Boteli überhaupt eine Chance haben, sich bei den Profis zu zeigen. Transfers nach dem Gießkannen-Prinzip wird es nicht geben. Es geht um das Wie und nicht um das Wieviel.