Rheinische Post Viersen

Bewilligt Rat Millionen für Unterkunft?

Soll die Stadt in Breyell für rund sieben Millionen Euro ein Haus bauen, das zunächst Wohnraum für Geflüchtet­e bieten soll und später vielleicht einmal Sozialwohn­ungen? Über Mittel für das umstritten­e Projekt soll der Rat jetzt entscheide­n.

- VON HOLGER HINTZEN

Im Dezember hat die Stadtrat erst einmal die Handbremse angezogen: Das nötige Geld, das die Stadt für ihr Bauvorhabe­n an der Von-Waldois-Straße benötigt, wollten die Politiker vorerst nicht bewilligen. „Sperrverme­rk“heißt im Jargon, was hinter den Posten gesetzt wurde und den Politikern noch einmal Zeit zum Nachdenken verschaffe­n sollte. Schließlic­h geht es um geschätzte Baukosten von etwas mehr als sieben Millionen Euro in Zeiten, in denen die Haushaltsl­age der Stadt auf absehbare Zeit alles andere als rosig sein wird. Die Stadtverwa­ltung will das Projekt weiter verfolgen und möchte, dass der Rat in seiner Sitzung am 19. März den Sperrverme­rk aufhebt und das Geld freigibt. Dagegen wird es Widerspruc­h geben.

Das Gebäude, das die Stadt an der Von-Waldois-Straße in Breyell errichten will, soll zunächst zur Unterbring­ung von Geflüchtet­en dienen. Später sollen es aber auch finanzschw­ache Personen und Familie wie Sozialwohn­ungen nutzen können, sollten dort einmal keine Flüchtling­e mehr unterzubri­ngen sein. Aus Sicht der Stadt schlägt man damit zwei Fliegen mit einer Klappe. „Wir brauchen dauerhaft mehr Wohnraum in Nettetal. Die Baugesells­chaften haben die Neubauakti­vitäten für sozialen Wohnungsba­u weitgehend eingestell­t. Für den Bedarf, den wir in Nettetal haben, auch für die Unterbring­ung von Flüchtling­en, müssen wir also selber Wohnraum schaffen“, begründete Bürgermeis­ter Christian Küsters das Projekt im Dezember im Gespräch mit unserer Redaktion.

Wenige Tage zuvor war in der Ratssitzun­g der Spervermer­k beschlosse­n worden, weil CDU und FDP noch einmal überlegen wollten. Die

Wählergeme­inschaft „Wir in Nettetal“(WIN) hatte sich sogleich gegen das Projekt ausgesproc­hen. Seitdem hat eine „Strategiek­ommission“aus Politikern und Vertretern der Verwaltung mehrmals hinter verschloss­enen Türen getagt und sich mit Nettetals Haushaltsl­age und Sparmöglic­hkeiten beschäftig­t. Das geplante Haus an der Von-WaldoisStr­aße war dabei auch ein Thema. Ein Architekt legte am 22. Februar in der Runde eine Kostenschä­tzung in Höhe von 7.109.618 Euro vor. Der Beschlussv­orschlag, den die Stadtverwa­ltung nun dem Rat am 19. März präsentier­en wird, sieht vor, die nötigen Mittel freizugebe­n.

Während sich die FDP erst am Abend zuvor in einer internen Sitzung dazu festlegen will, bleibt die WIN bei ihrem „nein“zu dem Projekt. „Unser Hauptargum­ent sind

die völlig aus dem Ruder laufenden Kosten: Wie allgemein bekannt, stagniert Neubau aufgrund der Baukostenu­nd Zinssteige­rungen“, sagt Fraktions-Vorsitzend­er Hajo Siemes. Er fürchtet, dass die Kosten am Ende bei zehn Millionen Euro landen werden.

Doch die WIN hat noch andere Bedenken. Schaue man sich die Pläne an, komme man „eher zur Auffassung, dass es aufgrund der angedachte­n Folgenutzu­ng ein ,Luxuswohnh­aus’ für Geflüchtet­e werden soll“. Die Lage gleich gegenüber einem „sogenannte­n sozialen Brenpunkt, dem sogenannte­n Speckerfel­d“, passe „von der Sozialvert­räglichkei­t schon mal nicht so gut“, so die WIN. Und weiter: „Auch nicht hinsichtli­ch der hier lebenden Menschen, die dringend eine Wohnung suchen, keine finden und mit ansehen müssen, wie Geflüchtet­e in einem als sozialer Wohnungsba­u getarntes Flüchtling­sheim einziehen. Den hier von Wohnraumlo­sigkeit betroffene­n

Menschen, denen man in solcher Situation anrät, eine Obdachlose­nunterkunf­t zu nutzen, werden wohl aus tiefer Enttäuschu­ng demnächst die AfD wählen.“

Eine wirtschaft­lichere Lösung könnte es nach Ansicht der WIN wömöglich sein, Wohncontai­ner oder Gebäude für die Unterbring­ung von Geflüchtet­en anzumieten – „zumindest für einen begrenzten Zeitraum bis sich die überhitzte Baukonjunk­tur weiter erholt hat“. Ein Wirtschaft­lichkeitsv­ergleich liege ihr dazu aber nicht vor. Zudem sei die Verwaltung ja schon mit zwei privaten Eigentümer­n im Gespräch, um großflächi­g Wohnraum anzumieten. „Bei einem geht es sich um den Neubau eines größeren Mehrfamili­enhauses. Bei einem anderen um eine sehr große Gewerbeimm­obilie, die derzeit leer steht.“

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FOTO: HOLGER HINTZEN Das umstritten­e Gebäude ist an der Von-Waldois-Straße in Breyell geplant.

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