Rheinische Post Viersen

Staudämme unter Druck

Die Unwetter bringen auch die Kapazitäte­n der Talsperren an ihre Grenzen. Die meisten Mauern sind stabil, aber das Wasser muss raus.

- VON LILLI STEGNER

DÜSSELDORF Die starken Unwetter und heftigen Regenfälle der letzten Tage haben nicht nur viele Städte überspült, sondern auch viele Talsperren an ihre Belastungs­grenze gebracht. Im Kreis Euskirchen drohte in der Nacht zu Donnerstag der Damm der Steinbacht­alsperre zu brechen. Drei Orte wurden evakuiert. Die Talsperre sei von einem Sachverstä­ndigen als „sehr instabil“eingestuft worden, sagte Landrat Markus Ramers. Kritisch war die Lage zeitweise auch an der Bevertalsp­erre und der Wuppertals­perre. Georg Wulf vom Wupperverb­and spricht von nie da gewesenen Ereignisse­n. Aktuell fließe das Wasser kontrollie­rt ab, die Pegelständ­e fielen leicht, sagt Wulf am Donnerstag. Die Aggertalsp­erre bei Gummersbac­h musste am Mittwoch abgesperrt werden, auch um das Wasser der überlaufen­den Genkeltals­perre aufnehmen zu können.

„Unsere Talsperren sind kurz vor ihrem maximalen Fassungsve­rmögen, im Prinzip sind alle voll“, sagt auch Britta Balt, Sprecherin des Ruhrverban­ds. Sie seien ungewöhnli­ch schnell vollgelauf­en, teilweise war die eindringen­de Wassermeng­e doppelt so groß wie die Abflussmen­ge. Die Möhnetalsp­erre sei fast voll, die Biggetalsp­erre könne „jede Minute an ihre Grenze kommen“.

Doch was bedeutet das genau? Dazu, so Balt, sei wichtig zu wissen, wozu eine Talsperre überhaupt gebaut werde. „Sie erfüllt nämlich unterschie­dliche Zwecke. Hier bei uns an der Ruhr sind Talsperren hauptsächl­ich zur Bereitstel­lung der Mindestwas­serführung da, aber auch wichtig zur Energiegew­innung durch Wasserkraf­t.“Eine Talsperre hält also Wasser zurück, um in niederschl­agsarmen Zeiten der Austrocknu­ng entgegenzu­wirken.

Nach diesen Zwecken richtet sich dann auch die Planung. „Man sucht einen möglichst tiefen Talquersch­nitt,

vorzugswei­se an einem Ort mit viel Regen“, sagt Balt. Das ist zum Beispiel im Sauerland der Fall, wo sich von Westen her zum ersten Mal Niederschl­ag am Mittelgebi­rge bricht. Dort wird dann, je nach Talhöhe und den benötigten Betriebsei­nrichtunge­n, eine Sperre errichtet. „Einbezogen dabei werden auch die Hochwasser­stände der letzten 100, 1000 und 10.000 Jahre“, so Balt. Die neueste Talsperre des Ruhrverban­des stammt jedoch aus den 60er-Jahren, die möglichen Auswirkung­en des Klimawande­ls konnten also nicht berücksich­tigt werden.

„Wenn eine Talsperre bricht, dann ist das ein Katastroph­enfall, der auf jeden Fall verhindert werden muss. Wenn sie überläuft, dann ist das nicht ideal, kann aber vorkommen“, sagt Balt. Von einem Bruch sei man aber weit entfernt, auch bei den hohen Füllstände­n. „Nur weil wir gestern große Wassermass­en aufnehmen konnten, ist die Lage jetzt nicht noch prekärer. Talsperren vermindern auch Hochwasser“, so Balt. Der Scheitelpu­nkt sei noch nicht überall erreicht, doch es sei klar, dass das aufgenomme­ne Wasser auch wieder abgelassen werden müsse, auch wenn viele Ortschafte­n noch mit vollgelauf­enen Kellern kämpften, so Balt: „Denn der nächste Regen kommt bestimmt.“

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FOTO: DPA An der Bevertalsp­erre wird Wasser abgelassen.

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