Rheinische Post Viersen

Die Flut und die Politik

- VON MORITZ DÖBLER

Politik lebt immer auch von Symbolen. Gut zehn Wochen vor der Bundestags­wahl, die das Ende der Ära von Angela Merkel markiert, muss es selbstvers­tändlich um Inhalte und um Programme gehen. Aber gewählt werden Menschen – und zwar nicht nur für das, was sie sagen und tun, sondern wie sie sich geben. Es geht um Vertrauen, dass der Mann oder die Frau an der Spitze der Bundesregi­erung insbesonde­re in Krisenzeit­en das Richtige zur richtigen Zeit tut. Und dieses Vertrauen entsteht durch Worte und Taten, aber auch durch Bilder.

Dass Gerhard Schröder einst beim Elbe-Hochwasser in Gummistief­eln „nah bei de Leud“war, wie Kurt Beck zu sagen pflegte, hat ihm wohl seine Wiederwahl knapp gesichert. Nicht, weil er viel tun konnte (den Wasserspie­gel senkte er nicht), sondern nur, weil er da war. Man mag das falsch oder zynisch finden, aber relevant ist die Frage schon, ob ein Politiker den politische­n Moment in einem Ereignis erkennt. So gesehen ist das Hochwasser auch ein Charaktert­est.

Armin Laschet hat seinen Auftritt bei der CSU abgesagt und sich in Altena und Hagen eingefunde­n, was für einen Ministerpr­äsidenten von Nordrhein-Westfalen das Mindeste ist. Aber er hätte auch einen Tag früher schon etwas sagen können, und wenn man Bundeskanz­ler werden will, sollte es nicht nur das eigene Bundesland sein. Annalena Baerbock kommt vorzeitig aus dem Urlaub zurück und hat schon am Mittwochab­end ihr Mitgefühl getwittert. Ähnlich Olaf Scholz. Es entsteht also ein Wettrennen um die besten Sätze und besten Bilder, das eigentlich abstößt, weil es doch um konkretes Leid und echte Not zu gehen hat und nicht um Prozentpun­kte in Umfragen. Was daran ist echt? Und doch bestimmen solche Momente maßgeblich, wie wir über jene denken, die uns regieren oder regieren wollen. Das ist menschlich, aber doch auch zutiefst politisch.

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