Ein Kampf gegen Rom
Der Hammer Pfarrer Bernd Mönkebüscher hat mit seinem Würzburger Kollegen Burkhard Hose eine Initiative gegen das Segnungsverbot Homosexueller gestartet. Geistliche, Diakone und Seelsorger beteiligen sich an der Aktion – und riskieren mitunter ihren Job.
PADERBORN Der Protest weht in bunten Farben von den Gotteshäusern. Die Ansage aus Rom vor einer Woche, jede Form von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare weiterhin zu verbieten, wollen viele Gemeinden nicht so stehen lassen. Am Kölner Dom, an den Kirchen im Bistum Münster und in vielen weiteren Gemeinden in NRW wurden deshalb Regenbogenflaggen gehisst, um ein Zeichen für Vielfalt zu setzen. Gläubige, Diözesanräte und Theologie-Professoren äußerten ihren Unmut über das veraltete Bild der Sexualmoral im Vatikan. Nun formiert sich auch Widerstand von Geistlichen und hauptamtlichen Kirchenmitarbeitern.
Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus dem Erzbistum Paderborn und der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose gaben den Anstoß: Noch am Tag der Vatikan-Entscheidung, starteten sie eine Unterschriftensammlung, die sich auch in den sozialen Medien verbreitete unter dem Stichwort #mehrSegen. Innerhalb von nicht einmal 24 Stunden hatten sie bereits mehr als 200 Unterstützer: Priester und Diakone, Pastoralreferenten und -referentinnen, Gemeindereferenten und -referentinnen sowie zahlreiche Ordensleute, darunter auch Ordensobere, unterzeichneten den Aufruf unter dem Motto: Wir segnen weiter! Inzwischen sind es mehr als 2000 Unterzeichner. „Wir werden überrollt, allein heute kamen 90 dazu“, sagt Bernd Mönkebüscher.
Der Pfarrer der St.-Agnes-Gemeinde in Hamm und Leiter des Pastoralverbundes Hamm-Mitte-Osten ruft innerhalb weniger Minuten nach der E-Mail-Anfrage zurück, auch wenn er einiges zu tun hat. Das Thema ist ihm ein dringendes Anliegen. „Auf dem Rücken einer bestimmten Personengruppe wird etwas ausgetragen, was eigentlich alle betrifft – kirchliche Sexuallehre“, sagt er. Die Entscheidung der Glaubenskongregation in Rom habe viele Menschen verletzt, nicht nur homosexuelle Gläubige. „Im Grunde betrifft das Nein aus Rom ja nicht nur Homosexuelle, eigentlich geht es ja um jede Form von Sexualität außerhalb der Ehe – das betrifft sehr viele Personen.“
Der inneren Logik der katholischen Sexualmoral zufolge dürfen Geistliche homosexuelle Paare nicht segnen, weil Gott „Sünde nicht segnen kann“, so lautet die offizielle Begründung vom Vatikan. Homosexuelle seien mit Würde und Respekt zu behandeln, aber homosexuelle Handlungen seien „intrinsisch gestört“. Weil Papst Franziskus sich 2019 in einem Interview des mexikanischen Fernsehsenders Televisa für einen Rechtsschutz für homosexuelle Paare ausgesprochen hatte, erhofften sich viele Gläubige einen Fortschritt – auch wenn sich seine Äußerung auf die zivilrechtliche Sphäre bezog, nicht auf das Kirchenrecht.
Die Absage aus Rom wollen viele nicht hinnehmen. Zunächst hatten sich Laien wie der Diözesanrat geäußert, dann machten 200 Theologieprofessoren ein gemeinsames Schreiben öffentlich, und nun wehren sich Mitarbeiter der Kirche selbst: Von den mehr als 2000 Unterzeichnern aus ganz Deutschland sei gut ein Drittel Pfarrer, sagt Mönkebüscher. „Wir versuchen, dem großen Unverständnis Raum zu geben und zu zeigen, dass wir eine bunte, vielfältige Kirche bevorzugen“, sagt der Pfarrer, der sich selbst vor zwei Jahren als schwul geoutet hatte. Er sei deshalb näher am Thema, auch wenn er im Zölibat lebt. „Wir wollen den Segen erbeten für alle Paare, die sich lieben. Und Homosexualität ist eine Variante menschlicher Liebe.“
Ob Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare trotz des Verbotes geschehen? Er selbst sei noch nie darum gebeten worden, würde es aber tun. Er kenne einige Kollegen, die das mal mehr, mal weniger offen tun. „Vieles geschieht heimlich“, sagt Mönkerbüscher, „viele Bischöfe wissen auch, dass das passiertn und akzeptieren es, wenn es nicht an die große Glocke gehängt wird.“In manchen Gemeinden würden solche Segensfeiern aber sogar in Gemeindeblättern erwähnt. Eine einheitliche Vorgehensweise im Umgang damit gebe es nicht. „In manchen Fällen gibt es Verwarnungen oder Drohungen: Wenn sie es noch einmal tun, müssten sie um ihren Job fürchten.“
Dass die Kirche dringend ihre Sichtweise auf die menschliche Sexualität erweitern muss, fordert mit Franz-Josef Overbeck auch ein Bischof offiziell. In einem Brief an alle Pfarreien im Bistum Essen hat der Ruhrbischof vergangene Woche eine „ernsthafte und zutiefst wertschätzende Neubewertung der Homosexualität“durch die katholische Kirche verlangt. Eine Position wie die im Vatikan werde in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptiert, das dürfe nicht ignoriert werden. Ähnlich äußerte sich am Mittwoch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing aus Limburg.
Viele Geistliche posten inzwischen unter dem Schlagwort #PastoralerUngehorsam ihre Meinung oder Fotos von Regenbogenflaggen an Kirchenhäusern. Bernd Mönkebüscher und Burkhard Hose wollen noch bis Sonntag, 12 Uhr, Unterschriften für ihre Erklärung sammeln und sie dann an Bätzing und an die Vorsitzende des Synodal-Forums Sexualität und Partnerschaft, Birgit Mock, übergeben. Ihre Hoffnung ist, die Oberen der Katholischen Kirche in Deutschland zu ermutigen, dem Vatikan im Zuge des Synodalen Weges zu signalisieren: Es gibt dringend Handlungsbedarf.
„Am Ende trägt das Nein aus Rom dazu bei, dass die Weiterentwicklung von Segensfeiern für gleichgeschlechtlich Liebende nicht gestoppt, sondern beschleunigt wird“, schrieb der Würzburger Pfarrer Hose auf Twitter.