Rheinische Post Viersen

Der verhindert­e St. Martin

Zwei Lockdowns, Absagen fürs Brauchtum: Edi Tusch kann in diesem Jahr nicht arbeiten wie gewohnt. Aber die Ideen gehen ihm nicht aus.

- VON NADINE FISCHER

VIERSEN Die 400 angedachte­n Weckmänner werden doch nicht gebraucht. Die Blasmusike­r müssen ihre Instrument­e in den Koffern lassen, der Schimmel bleibt im Stall und Edi Tusch schlüpft nicht in sein Kostüm, kurzum: St. Martin im Bezirk Krefelder Straße ist jetzt doch abgesagt. Am Sonntag, 15. November, wollte Tusch eigentlich nachmittag­s als St. Martin für den Martinsver­ein Krefelder Straße in den Sattel steigen. Losreiten, begleitet vom „Armen Mann“, ein paar Fackelträg­ern, Musikern, Helfern, die Weckmänner verteilen – damit die Anwohner auch in diesen besonderen Zeiten zumindest von ihren Vorgärten oder Fenstern aus ein bisschen St. Martin feiern können. „Aber das geht jetzt wirklich gar nicht“, sagt der 54-Jährige. „Das wäre komplett das falsche Signal.“Das Land befindet sich Corona-bedingt im Teil-Lockdown, und wieder einmal durchkreuz­t die Pandemie Tuschs sorgsam ausgearbei­tete Pläne. „Ich bin in diesem Jahr permanent gefragt, mich neu zu erfinden“, sagt der Schaustell­er.

Seit März kann der Viersener nicht mehr so arbeiten, wie er eigentlich gerne möchte. Kirmes, Catering, eigene Großverans­taltungen wie die weiße Mainacht auf dem Remigiuspl­atz: Auf einen Schlag durfte er in keinem seiner drei Geschäftsz­weige mehr Geld verdienen. Um ein paar Einnahmen zu haben, eröffnete er damals für einige Wochen einen Drive-In, an dem Kunden vom Auto aus Backfisch, Currywurst oder

Pommes bestellen konnten. Danach baute er am Hohen Busch einen Sommerbier­garten auf, „Tusch am Busch“. Der ist seit Ende Oktober geschlosse­n. In wenigen Tagen wollte der Unternehme­r in das für Schaustell­er so wichtige Weihnachts­geschäft einsteigen: Tusch hatte vor, am Montag wenigstens soweit zulässig seinen bekannten Weihnachts­treff in der Viersener Innenstadt zu eröffnen. Dann kam der zweite Lockdown.

Für den Treff, an dem normalerwe­ise Gäste dicht an dicht an Tischen stehen und Glühwein trinken, hatte Tusch eigens drei große Holzfässer zu abgeschirm­ten Sitznische­n für bis zu sechs Personen ausgebaut. Zwei davon stehen jetzt ungenutzt in seiner Lagerhalle, das dritte steht vorerst auf der heimischen Terrasse: „Da mache ich es mir mit meiner Frau gemütlich“, sagt er.

Zwei Tage hat Tusch neulich mal tatsächlic­h zu Hause auf der Couch verbracht, Serien geschaut, abgeschalt­et, erzählt er. Das reichte dann aber auch. Seine neue Idee, für die er noch einiges organisier­en muss: Den Weihnachts­treff möchte er durch einen Winterbier­garten in der Innenstadt ersetzen, sobald der Lockdown aufgehoben ist – er hofft auf Mitte Dezember. „Das wird ein Glühwein-Biergarten, ein ,Tusch im Busch’ nur ohne Busch“, sagt der Schaustell­er. Den möchte er dann möglichst bis zum Frühjahr betreiben, bevor er wieder einen Biergarten am Hohen Busch eröffnet. Denn das Konzept sei im Sommer bei den Gästen gut angekommen, habe sich auch finanziell gelohnt, erzählt Tusch.

Für seinen Verdiensta­usfall im November beantragt er Hilfe beim Land, „ich hoffe, dass das funktionie­rt“. Und natürlich hat Tusch auch für die kommenden Wochen Pläne gemacht: Er lässt sich an der Hüfte operieren und geht danach in die Reha, angedacht war das eigentlich erst für Januar.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Zum fünften Mal wollte Schaustell­er Edi Tusch in diesem Jahr St. Martin sein – auch das klappt wegen der Corona-Pandemie nicht.

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