900.000 Euro für den Aufsichtsratschef
Die Deutsche Bank bezahlt einer Studie zufolge von allen Dax-Unternehmen am meisten Geld für ihr höchstes Gremium. Probleme gibt es nach wie vor bei der Frauenquote.
DÜSSELDORF Trotz wachsender Wirtschaft im vergangenen Jahr sind die Zahlungen an Aufsichtsräte in den Dax-Konzernen zurückgegangen. So überwiesen die 30 wichtigsten Börsenunternehmen des Landes gut 83 Millionen Euro an die Kontrolleure – ein Minus von 3,6 Prozent. Das geht aus einer Studie hervor, die die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) am Donnerstag vorgestellt hat. Allerdings heißt das nicht, dass auf die Konten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder weniger Geld geflossen wäre. „Ursächlich ist hier vor allem die im Vergleich zum Vorjahr geänderte Indexzusammensetzung am Stichtag unserer Studie“, sagte Frederik Beckendorff, Fachreferent bei der DSW. So sind Großunternehmen wie die Lufthansa, Thyssenkrupp und Wirecard aus dem Dax geflogen. Nachgefolgt in die erste Börsenliga dagegen sind Delivery Hero, Deutsche Wohnen und MTU Aero Engines.
Ein junges Unternehmen wie der Essenslieferdienst Delivery Hero etwa hat einen nur sechsköpfigen Aufsichtsrat mit wesentlich geringeren Vergütungen als in den übrigen Börsenkonzernen im Dax. So liegt Delivery Hero mit Zahlungen von insgesamt 276.000 Euro für seine sechs Aufsichtsratsmitglieder sehr weit abgeschlagen auf dem letzten Platz aller Dax-Unternehmen.
Mehr als dreimal soviel Geld wie beim gesamten Delivery-Aufsichtsrat landete auf dem Konto von Paul Achleitner. Der Chefaufseher der Deutschen Bank strich mit 900.000 Euro von dem Geldhaus die höchste Vergütung aller Dax-Aufsichtsräte ein. Gegenüber dem Vorjahr 2018 war dies eine Steigerung von fünf Prozent. Achleitner allerdings attestiert die Studie auch eine seit Jahren hohe Fleißarbeit: So kam Achleitner im Rahmen seiner Dax-30-Mandate auf die meisten, nämlich 90 Plenumsund Ausschusssitzungen. Auf Achleitner folgt mit 640.000 Euro BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer, dicht gefolgt von Siemens-Chefkontrolleur Jim Hagemann Snabe mit 612.500 Euro.
Auch in der Disziplin „Höchste Gesamtvergütung“landete die Deutsche Bank 2019 erneut auf Platz 1: Gut 6,1 Millionen Euro flossen an den 20-köpfigen Aufsichtsrat, das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Die Bank hatte zwei zusätzliche Ausschüsse eingerichtet, die sich im vergangenen Jahr zum ersten Mal auf das gesamte Geschäftsjahr ausgewirkt hatten. Auf das Kreditinstitut folgt BMW mit rund 5,6 Millionen Euro für sein Kontrollgremium, Volkswagen verdrängte Siemens mit 5,3 Millionen Euro von Platz drei.
Spätestens seit dem Wirecard-Skandal stellt sich auch die Frage, wie unabhängig Aufsichtsräte in den Unternehmen sind. So kritisieren einige Beobachter es beispielsweise, wenn Vorstände – auch nach einer „Abkühlungszeit“– in den Aufsichtsrat
ihres Unternehmens wechseln. Denn das birgt prinzipiell die Gefahr, dass sie Strukturen und Strategien in Unternehmen kontrollieren sollen, die sie selbst geschaffen oder auf den Weg gebracht haben. Zum anderen sehen Experten auch ein mögliches Problem, wenn Manager zu lange in den Gremien sitzen. So sieht der Deutsche Kodex zur guten Unternehmensführung eine Unabhängigkeit nicht mehr gegeben, wenn eine Person mehr als zwölf Jahre dem Kontrollgremium angehört.
Immerhin: Rund 80 Prozent aller Aufsichtsratsmitglieder in den großen Börsenunternehmen befinden sich noch in der ersten oder zweiten Amtszeit – also sitzen sie bislang maximal zehn Jahre in dem Gremium. „Das ist die gute Nachricht: Eine deutliche Mehrheit der Aufsichtsräte ist damit auch nach diesem Kodex-Kriterium als unabhängig einzustufen“, sagte Christiane Hölz, die NRW-Landesgeschäftsführerin der DSW. Allerdings sitzen immerhin 95 Aufsichtsräte seit drei oder mehr Amtsperioden in den Gremien – also mehr als 15 Jahre.
Probleme sehen die Aktionärsschützer nach wie vor in der Besetzung von Aufsichtsräten mit Frauen. Zwar hat sich ihr Anteil in den Gremien in den vergangenen 15 Jahren von knapp zwölf auf rund 36 Prozent verdreifacht. Allerdings bewege sich hier in den zurückliegenden vier Jahren nur noch wenig. Zudem ist die Führung des Aufsichtsrats nach wie vor fast ausschließlich Männersache. In den 160 Unternehmen, die in den wichtigsten Börsenindizes Dax, M-Dax und S-Dax notiert sind, gibt es nur sieben Chefaufseherinnen, im Dax ist es sogar nur eine: Simone Bagel-Trah bei Henkel.