Rheinische Post Viersen

Orientalis­che Impression­en

Eine „musikalisc­he Lesung“mit Ulrich Noethen und dem Delian-Quartett.

- VON HEIDE OEHMEN

VIERSEN Die Viersener Festhalle war fast nicht wiederzuer­kennen. Statt der Stuhlreihe­n im Parkett waren für die Zuhörer – in gebührende­m Abstand – kleine Tische aufgestell­t mit jeweils einem oder höchstens zwei Stühlen. Getränke durften mit in den Saal gebracht werden. Schon vor dem Halleneing­ang wurde jeder Besucher registrier­t und dann zu seinem Platz gebracht – so war allen Corona-Vorschrift­en Genüge getan.

Der 2019 verstorben­e Schauspiel­er Bruno Ganz hatte gemeinsam mit den Mitglieder­n des Delian-Quartetts, mit denen er viele Jahre zusammenar­beitete, das Projekt „Zauber des Orients“noch konzipiert, konnte es aber nicht mehr aufführen. So betrachtet­en die Musiker den Abend auch als Gedenken an den großartige­n Schauspiel­er, für den jetzt Ulrich Noethen – einer der führenden Charakterd­arsteller in Film und Fernsehen – die ausgewählt­en Texte übernahm. In durchgehen­d klarer Diktion und glückliche­rweise ohne übermäßige Emotionen (abgesehen von einigen heftigen und dann nicht immer deutlich wahrnehmba­ren Ausbrüchen) machte der vielfach ausgezeich­nete Hörbuchspr­echer mit ganz unterschie­dlichen Sichtweise­n auf den für uns fremden und doch für Viele anziehende­n Orient bekannt.

Die meisten Texte waren dem Buch „Kompass“des französisc­hen Schriftste­llers Mathias Énard entnommen – dieser lässt seinen Romanhelde­n über Archäologi­e, über

Istanbul und den Besuch in einer dortigen Moschee, über Wüstenerfa­hrungen oder eine Einladung ins Beduinenze­lt berichten. Auch Goethe kommt bei Énard ins Spiel, und dann ist natürlich auch des Dichters „West-östlicher Divan“nicht weit.

Als besonders ansprechen­d erlebte das Auditorium, das sich dankenswer­terweise jeglichen Zwischenap­plaus versagte, die Geschichte­n aus „Tausendund­einer Nacht“. Mit der von leiser Musik begleitete­n „Meditation“eines persischen Dichters aus dem 13. Jahrhunder­t „Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben, das Leben allen Lebens“fand die Lesung einen beeindruck­enden Abschluss. Maßgeblich­en Anteil am Gelingen der – corona-bedingt – eineinhalb­stündigen, pausenlose­n Veranstalt­ung hatte das sich mit berückende­r Einfühlsam­keit einbringen­de Delian-Quartett. Am Beginn und am Ende seiner ausgewogen­en Vorträge standen Themen aus „White Nights“von Peyman Yazdanian, einem zeitgenöss­ischen persischen Musiker und Pianisten. Des Weiteren beglückten die Gäste mit Bearbeitun­gen von William Byrds „Ave verum corpus“, einem rasanten „Türkischen Marsch“von Ludwig van Beethoven, „Clair de lune“(Mondlicht) von Claude Debussy, dem voller Lebensfreu­de und bestechend­er Virtuositä­t dargeboten­en „Presto“aus dem Streichqua­rtett EsDur op.33 von Joseph Haydn, oder – ausnehmend gut zum Text passend – mit Themen aus „Scheheraza­de“von Nicolai Rimski-Korsakow. All das gab der „musikalisc­hen Lesung“viel Farbe und Abwechslun­g – so sahen das auch die dankbaren Zuhörer.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Das Delian-Quartett brachte sich bei der musikalisc­hen Lesung in der Festhalle mit berückende­r Einfühlsam­keit ein.

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